Gi3F
(Gott ist drei Frauen)

  • von Miru Miroslava Svolikova
  • Österreichische Erstaufführung
  • Theater Drachengasse
  • 6. März – 1. April 2023
    Di-Sa um 20 Uhr

ich kenn mich nicht aus mit der zeit.
ich auch nicht.
vielleicht kommt das erst.
schwer zu sagen.
was denn.
alles.

Irgendwie ist schon wieder etwas schief gegangen mit der Schöpfung. Aber wer hat die Verantwortung dafür? Gott ist drei Frauen und hat nur ein klein wenig nachgeholfen. Da ist Schmerz und Sterben und das Wuchern der Welt, da ist die Ungewissheit der Erde, hat sie Halbzeit und noch 3,5 Milliarden Jahre oder nur noch vier Stunden? Die Erde würde so gerne gehört werden. Derweil bemüht sich Jens, das Mensch, seine Geschichte zu erzählen. Gott = drei Frauen entschließen sich, noch einen Versuch zu machen, man kann es ja immer wieder versuchen. Während sie noch debattieren, kommt das Böse auf die Bühne.

In Gi3F (Gott ist drei Frauen) entwirft Miru Miroslava Svolikova eine Art modernes Mysterienspiel, das nicht zuletzt das Erzählen selbst humorvoll zum Thema macht.

HÖRBEISPIEL

Regie: Sandra Schüddekopf
Bühne, Kostüme: Lisa Horvath
Musik, Sounddesign: Rupert Derschmidt
Regieassistenz: Hannah Zauner
Es spielen: Elisabeth Halikiopoulos, Maddalena Hirschal, Julia Posch, Sebastian Thiers, Dolores Winkler

Dauer ca. 1h 40 min.

Rechte bei Suhrkamp Theater Verlag, Berlin

Atemberaubendes Bühnen-Ringelspiel:
Notfalls wirft die Erde das Mensch eben ab

Die Erstaufführung von Svolikovas „Gi3F“ in der Drachengasse

Das schlufige, tonnengewölbte Theater Drachengasse ist ja eine Zumutung. Denn die dreieckige Spielfläche, eingezwängt zwischen zwei schräg gestellten Tribünen, erlaubt keine großen Freiheiten. Und doch glückte Sandra Schüddekopf eine beeindruckende Erstaufführung von „Gi3F“.

Die in Österreich lebende Dramatikerin, Künstlerin, Musikerin Miru Miroslava Svolikova behält in ihrem Stück die Trinität bei, „Gott ist“ aber – so erklärt sich das Kürzel – „drei Frauen“. Und die haben fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen, weil sie sich mitverantwortlich fühlen für das Ende der Erde. Maddalena Hirschal, Julia Posch und Dolores Winkler, von Ausstatterin Lisa Horvath in spacige, hautenge, um je drei Tentakel ergänzte Overalls gesteckt, tanzen nicht auf, aber um einen Vulkan, aus dem das Klagelied der Erde ertönt: Eigentlich hätte sie noch zumindest 3,5 Millionen Jahre zu existieren. Oder sind es jetzt gar nur ein paar Stunden?

Elisabeth Halikiopoulos erhebt sich aus dem Krater, ihr entfährt ein resignatives „Die Menschen verstehen mich nicht“. Der Vulkan mutiert zu einer verspiegelten Metallskulptur, die sich immer schneller um die eigene Achse dreht, bombardiert mit Bildern aus den Nachrichten. Jens, „das Mensch“, kann sich nicht länger auf diesem Ringelspiel halten, er wird einfach abgeworfen.

Zuvor aber hielt Sebastian Thiers, ein Neandertaler, der sich allmählich kultiviert, eine aberwitzige Rede über die Geschichte der Menschheit, über deren Leistungen und Verfehlungen. Da hat die Dreifaltigkeit dann doch ein einsehen – und schrumpft das Böse. Untermalt wir der eindreiviertelstündige Abend von Rupert Derschmidt mit beeindruckenden Soundcollagen inklusive wehmütiger Coverversionen. Berechtigter Jubel.

Kurier, 08.03.2023


Multimediale Endzeitstimmung im Theater Drachengasse

Die österreichische Erstaufführung von "Gi3F (Gott ist drei Frauen)" entführt in eine modern-mythologische Welt – und überzeugt

Regisseurin Sandra Schüddekopf hat Miroslava Svolikovas Gi3F (Gott ist drei Frauen) als österreichische Erstaufführung in der Wiener Drachengasse auf die Bühne gebracht. Drei Göttinnen philosophieren über Anfang und Ende der Welt, ohne sich einigen zu können. Die von Elisabeth Halikiopoulos verkörperte Erde versucht sich Gehör zu verschaffen. Sie fühlt sich angesichts all der Krisen von den Menschen vernachlässigt. Es herrscht Endzeitstimmung, doch die Erde will noch nicht untergehen. Jens hat als ältester Mensch alle historischen Perioden überlebt. Gibt es noch Hoffnung?

Eine Stimme durchbricht die Dunkelheit des Saals. Orgelmusik ertönt, Bibelzitate werden paraphrasiert. Man hat das Gefühl, an einer Messe teilzunehmen samt Reden von Trump, Kim Jong-un und den Simpsons. Nachdem die Göttinnen in glitzernden Bodysuits aus dem Schlaf erwacht sind, erheben sie sich. Ein vulkanförmiges, drehbares Metallgerüst in der Saalmitte symbolisiert die Erde – die Göttinnen erkennen ihr Leid, greifen aber nicht ein.

Narzisstischer Neanderthaler

Die Installation dient als Projektionsfläche für mediale Propaganda (u. a. Newsclips über Black Lives Matter). Wenn das Metallgerüst und die Zeit stillstehen, besteht Hoffnung auf Versöhnung. Mit Spiegeln bestückt, versinnbildlicht das Gerüst menschlichen Narzissmus. Paradebeispiel ist Neanderthaler Jens mit Bierbäuchlein, in Unterhose beim Workout trägt er seine Heldentaten vor.

Genial sind technische Stimmverzerrungen für die Kommunikationsversuche der Erde und die stimmliche Dissonanz der Göttinnen. Schüddekopf setzt historisch-mythologische Verflechtungen um, die dem Gesamtwerk der Autorin, Künstlerin und Musikerin Svolikova zugrunde liegen. Ohne zu polemisieren.

Der Standard, 09.03.2023


Humorvolle Demaskierung vom Glauben an höhere Wesen

Gi3F – Gott ist drei Frauen von Miru Miroslava Svolikova im Wiener Theater Drachengasse.

Wäre die Welt eine andere/bessere, wenn sie nicht von Gott, sondern einer Göttin, oder sogar mehreren weiblichen höheren Wesen erschaffen worden wäre? Diese Frage drängt sich beim Stücktitel „Gi3F“ (Gott ist drei Frauen) auf. Das Stück von Miru Miroslava Svolikova hat rund um den feministischen Kampftag vulgo Welt- oder internationalem Frauentag im Theater Drachengasse die österreichische Erstaufführung (nachdem es schon in etlichen deutschen Theater lief) erlebt – und ist dort (Wiener Innenstadt) bis 1. April 2023 zu sehen (Regie: Sandra Schüddekopf).

Tanz um den Vulkan

Lange verharren die Göttinnen – Maddalena Hirschal, Julia Posch und Dolores Winkler – im Dunkeln rund um einen Berg, der sich als eine Art Vulkan und gleichzeitig die ganze Erde entpuppen wird. Als möglicherweise aus dem Meer entstiegene Wesen mit Tentakeln, die an Oktopusse erinnern, philosophieren sie über Anfang und Ende. Von allem. War das jetzt schon alles, oder beginnt es erst. Wie auch immer, irgendwann meldet sich die Erde, die sich aus dem Inneren des Vulkans erhebt, in dem Elisabeth Halikiopoulos zuvor offenkundig fast eine halbe Stunde zusammengekauert verbracht hat. Sie habe mit den ersten vier Milliarden Jahren erst die Halbzeit erreicht und daher nochmals so viele vor sich, aber… Das Karussell, zu dem der Vulkan (Bühne, Kostüme: Lisa Horvath) wird, dreht sich immer schneller, die Zeit verfliegt, sind die Milliarden Jahre jetzt gar nur mehr Stunden?

Mensch und Einhorn

Ach ja, spät aber noch früher als in der echten Erdgeschichte, taucht ein Mensch auf – mit Sebastian Thiers ein Mann. Muss das sein? Als Abhilfe erklärt er sich zu „das Mensch“ und spricht in seiner langen Monolog-Passage über Errungenschaften von Frauen und Männern. Aber auch von Kriegen, die Mensch angezettelt, Verderben für viele seinesgleichen und die Erde insgesamt angerichtet hat. Allerdings habe Mensch sich zu besinnen begonnen – „vegan bin ich geworden…“

Als Rache für die Bösartigkeiten von „das Mensch“, senden die Göttinnen das Böse auf die Erde – ein teils glitzer-funkelndes Einhorn Apropos Funkeln – eine ganze Wand voller spiegelnder Folien bewirkt gleichzeitig eine Erweiterung des Geschehens samt eben Spiegelung der Handelnden ;). Nicht nur das Einhorn, sondern viele der Dialoge, ja selbst der Monolog ist schon vom Text der Autorin her mit Ironie durchzogen, Spiel, Ausstattung und nicht zuletzt auch Musik und Sound (Rupert Derschmidt) unterstützen, unterstreichen, betonen die humorvolle Auseinandersetzung in dieser Schöpfungsgeschichte und irgendwie aller anderen auch ernster gemeinten Erzählungen, die sich Menschen zurechtgezimmert haben, wie Kosmos, Erde, Natur und letztlich auch Menschen entstanden sein könnten – jenseits aller längst bekannten naturwissenschaftlichen Fakten.

Göttliche Fehler

Vielleicht der größte Unterschied dieser hier weiblich gelesenen höchsten Wesen zu ihren männlich verfassten Kollegen: Die drei grübeln über mögliche eigene Verfehlungen. Irgendwie scheint ja einiges schief gelaufen zu sein. War die eine jetzt schuld, dass sie die Orange auf dem Schreibtisch zu stark gerollt und damit den roten Knopf ausgelöst hat? (Dazu ertönt die Stimme des bekannten Ex-US-Präsidenten, der sich im Bewerb mit dem nordkoreanischen Diktator rühmte, den größeren Knopf zu haben.) Die Zweite erinnert sich an Bleistifte, die Wolken durchbohrt und in der Folge Brände ausgelöst hätten und die Dritte fürchtet, selbst das Wasser der Meere zum Kochen gebracht zu haben.

https://kijuku.at/, 15.03.2023


(...) Auf dennoch humorvolle Weise und in gewohnt eindringlicher Sprache verhandelt die Autorin das Weltgeschehen. Sandra Schüddekopf versucht dabei erst gar nicht, das in ihrer Inszenierung zu bebildern, bleibt abstrakt und lässt damit genug Raum für den Text und am Ende auch die Frage offen, ob das vielleicht gerade erst der Anfang von allem war.

Ö1 Kulturjournal, 06.03.2023


Wer hat an der Welt gedreht?

Wir ahnten es schon, die Autorin Miru Miroslava Svolikova enthüllt nun das Geheimnis: Gott ist kein alter, weißer Mann mit Bart, "GI3F (Gott ist drei Frauen)". In der österreichischen Erstaufführung ihres Stücks ist Gott konkret drei dreischwänzige Frauen (Ausstattung: Lisa Horvath), die manchmal im Chor sprechen, meistens aber einander beschuldigen, alles kaputtgemacht und blöde Weltuntergänge verursacht zu haben.

Im ersten Teil schwelgen sie in Erinnerungen an ihre schönsten Schöpfungen, bringen wortgewandt Ende und Anfang der Erde durcheinander und grübeln darüber, ob es sich lohnt, ewig weiter an ihr zu drehen. Regisseurin Sandra Schüddekopf hat den Text mit Julia Posch, Maddalena Hirschal und Dolores Winkler genau gearbeitet, trifft aber nicht immer dessen Rhythmus. Spritziger geraten die Szenen, in denen sich die Erde, denkbar nervös, selbst zu Wort meldet (Elisabeth Halikiopoulos).

Im Zentrum der ironischen Apokalypse steht doch wieder ein Mann: Sebastian Thiers ist "das Mensch" und referiert in einem monumentalen Monolog sympathieheischend Helden-und Schandtaten der Spezies. Hat Thiers einen Texthänger, ruft er Gott an. Denn in Wahrheit, eine feine Pointe dieser insgesamt etwas behäbigen Inszenierung, ist Gott: eine Souffleuse.

FALTER 11/23, 15.03.2023


Spielplan Januar 2022