My home is my castle

  • Nachwuchswettbewerb 2019
  • Bar&Co
  • 27. Mai – 15. Juni 2019, Di-Sa um 20 Uhr
  • Das Finale






























 

Jurypreis und Publikumspreis vergeben!

 

Der Jurypreis des diesjährigen Wettbewerbs My home is my castle geht an Lebensmenschen von und mit Kira Lorenza Althaler, Markus Bernhard Börger, Dino Pešut, Shahrzad Rahmani, Isabella Sedlak.

Der Publikumspreis geht zu gleichen Teilen an INCH Bag unisex S50x35 – I‘m never coming home, Zweinsamkeit und Das Heimspiel der Begonien. Alle drei Projekte erhielten gleich viele Stimmen aus dem Publikum.

Es gibt also im diesjährigen Wettbewerb ausschließlich Gewinner*innen! Wir gratulieren sehr herzlich!

JURY-BEGRÜNDUNG Nachwuchswettbewerb 2019 Theater Drachengasse

Lebensmenschen

Ganz wie im echten Leben machen die beiden Figuren in Dino Pešuts Stück es kompliziert: Sie, die schwarze österreichische Frau will, statt einfach zur Samenbank zu gehen, ein Kind vom ihrem Freund, dem schwulen Kroaten. Und in dieser klischeehaften und durchaus witzigen Situation, verstricken sich beide schon mit den ersten Sätzen in Widersprüche und Identitätskrisen.

Die Komplexität aktueller identitätspolitischer Fragen, in Bezug auf Gender, Race und Herkunft der beiden Protagonist*innen, wird in mitunter verbissen geführten Debatten, dann auch wieder ganz lässig, auf den Tisch gepackt. Stets bleibt unklar, wo Spieler*in und Figur deckungsgleich und vermeintlich authentisch sind oder wo das Publikum doch nur in ein geschicktes Spiel mit den eigenen Zuschreibungen gelockt wird. Markus Bernhard Börger und Kira Lorenza Althaler changieren dabei stets überzeugend zwischen Performer- und Schauspieler*in. Das Mäandern der Figuren zwischen ihren aufgewühlten Identitäten, das Ringen mit Vorurteilen, Klischees und Political Correctness: all das sinnsuchende Hin und Her spiegelt sich im Ein- und Ausstieg aus den Rollen und der Spielhaltung und unterstreicht damit auch den Ort an dem dies alles verhandelt wird: das Theater.

Auch auf der Bühne werden gängige Repräsentationsmodelle zunehmend in Zweifel gezogen und auf strukturelle Diskriminierung im Alltag hingewiesen. So legt das von dem bemerkenswert diversen Projektteam präsentierte Stück den Fokus auch auf ureigene, noch längst nicht verheilte Wunden. Es thematisiert – ohne sich in Selbstreflexion zu erschöpfen – das Theater als Mind Opener einer weiß, heterosexuell und männlich geprägten Gesellschaft, in deren (Burg-)Mauer (um den Titel des Wettbewerbs aufzugreifen) zurecht mehr und mehr Risse kommen. So spannt die Skizze den Bogen vom Privaten (das wie wir wissen stets politisch ist) bis zur Öffentlichkeit der Bühne und wagt sich erfrischend-spielerisch und humorvoll auf das heikle Terrain gesellschaftspolitischer Realität.

Wir sind freudig gespannt, wie sich dieses Spiel in einer abendfüllenden Produktion weiter zuspitzen lässt und vergeben den Jurypreis daher an den Beitrag Lebensmenschen.

Aufgrund der nach langer Diskussion knappen Entscheidung, ist es uns jedoch auch ein Anliegen an dieser Stelle eine lobende Jury-Erwähnung an das Projekt Zweinsamkeit von Maximilian Friedel und Marzella Ruegge auszusprechen.

Cornelia Anhaus, Kolja Burgschuld, Anne Wiederhold



Ab 27. Mai 2019 fand das Finale des 12. Nachwuchswettbewerbs statt.
In einer Spielserie von 16 Tagen präsentierTen die 4 Finalist*innen-Teams ihre 20-Minuten Projekte.

TRAILER

Es werden zwei Preise vergeben:
- der Publikumspreis von € 1.000 €, den die Zuschauer*innen durch Abstimmung vergeben – jede Eintrittskarte berechtigt zur Abgabe einer Stimme.
- der Jurypreis. Jenes Stück, das die Jury zum Sieger kürt, erhält 5.000 € von der Kulturabteilung des Magistrats der Stadt Wien für die weitere Ausarbeitung des Projekts in der kommenden Saison.
Die Jury 2019:
Cornelia Anhaus, WERK X-Petersplatz
Kolja Burgschuld, Kuratorium der Stadt Wien
Anne Wiederhold, Brunnenpassage
Die Bekanntgabe der Preisträger erfolgt am 15. Juni 2019 im Anschluss an die letzte Vorstellung.


Die Finalist*innen:

INCH Bag unisex S50x35 – I‘m never coming home

Tut es gut, was du machst? Was machst du denn?

Vier Menschen machen sich gemeinsam daran, ihre ganz persönlichen Taschen für den Ernstfall zu packen – für die drohende Katastrophe, von der sie sich sicher sind, dass sie uns alle bald heimsuchen wird. Sie haben eine Antwort auf die drängende Frage "Was tun?" gefunden und lassen alle Fragen und Zweifel am Hier und Jetzt draußen vor der Tür. Bis diese sich ihren Weg  zurück in die Mitte der Gruppe bahnen und die einfache Antwort ins Wanken bringen.

Idee, Text: Rachel Müller, Wiebke M. Yervis.
Es spielen: Annina Hunziker, Moritz Ilmer, Rachel Müller, Wiebke M. Yervis



Lebensmenschen

Hätte ich gewusst, dass man eine schwarze Prinzessin sein kann, hätte ich meine Prioritäten etwas anders gesetzt.

SIE, eine schwarze Österreicherin. ER, ein schwuler Kroate. Beide wissen nicht, was der nächste Schritt in ihrem Leben sein wird, aber sie wissen, dass sich ihre Vorstellung von Intimität nicht in einer Kleinfamilie verwirklichen lässt. Im Spannungsfeld ihrer Freundschaft diskutieren sie familiäre Bindung, Schwulsein, Rassismus und erotisches Begehren. SIE und ER sind ein Mikrokosmos jener Möglichkeiten, die ein bestimmter historischer Moment zulässt: eine schwarze Österreicherin und ein schwuler Kroate, die keine traditionelle Liebesbeziehung haben und erst recht nicht verheiratet sind, zeugen ein Kind.

Von und mit: Kira Lorenza Althaler, Markus Bernhard Börger, Dino Pešut, Shahrzad Rahmani, Isabella Sedlak 



Zweinsamkeit

Die Welt ist kalt, eckig und unbequem. In Mamas Bauch hingegen wars da deutlich geborgener ... Warum sich also nicht zurück auf die Ursprünge besinnen? Zwei Figuren schmeißen sich in ihre Pyjamas und bleiben erst mal drinnen. Anstatt die ganze Zeit Löcher stopfen zu wollen, proklamieren sie den Zustand der Leere und pfeffern ihren Ehrgeiz in den Mixer. Vielleicht, wenn es ganz langweilig wird, kommt da so was wie Glück. In ihrem selbsterbauten Reich verhandeln sie die kleinen und großen Fragen nach dem Sinn unserer Zeit und Existenz. Doch schaffen sie den Sprung zurück in den Schiffbruch des Lebens trotz ihrer angestrebten Abgrenzung?

Kreation, Umsetzung: Maximilian Friedel, Marzella Ruegge



Das Heimspiel der Begonien

Wir müssen lieb zueinander sein.

Die Welt draußen schreit Drama. Also haben sich Gregor und Grete in ihre kleine Familienwelt eingenagelt. Unverrückbar. Sicher. Nichts dringt hinein. Und so kreisen sie um sich selbst und ihre Erinnerungen, Geschichten und Bilder. Aber ist dieses Heim tatsächlich so sicher? Vor allem vor ihnen selbst? Denn in der Stille lauert der Abgrund der eigenen Imagination. Was ist nun grausamer? Die ausgesperrte Realität, oder die erdachte?                      
Eine Groteske.

Text, Regie: Stephanie Schreiter 
Best Hand, Assistenz: Anna Kramer
Musikalischer Support: Silvia Schmidt 
Es spielen: Alice Peterhans, Bettina Schwarz



Ausschreibung

Statistik

Resümee

53 Projekte: Die Burg ist das Ziel

Vier Prepper packen ihren Rucksack. Motto: "Plan now, survive later". Schlafsack, Messer, Tabletten zur Trinkwasseraufbereitung. Nummer eins der vier fürs Finale des Newcomer-Wettbewerbs des Theaters Drachengasse nominierten Projekte heißt "INCH Bag unisex S50x35 -I'm never coming home" und geht ganz dezidiert auf das diesjährige Motto ein. Insgesamt 53 Projekte zum Thema "My home is my castle" wurden eingereicht. Das Interesse an dem Wettbewerb, der seit 2008 besteht, ist groß.

Die Prepper Annina Hunziker, Moritz Ilmer, Rachel Müller und Wiebke M. Yervis verstehen ihre Rucksäcke als schützende Burg gegen eine bedrohliche Zukunft. Wenn es nur noch darum geht, Konservendosen möglichst platzsparend zu arrangieren, verkommt das Glück zum Essen von Glückskeksen. Im Dialog "Lebensmenschen" von Dino Pešut (Regie: Isabella Sedlak) geben Kira Lorenza Althaler und Markus Bernhard Börger zwei junge Erwachsene, die das private Glück gegen die Überforderung durch Welt abwägen. Und während sie versuchen ein Kind zu zeugen, poppen Fragen nach Identität, Sicherheit und Zukunft auf.

Die nächsten beiden Programmpunkte beschäftigen sich mit den beengenden Konsequenzen eines Rückzugs ins Private. Bei Maximilian Friedel und Marzella Ruegge wird in der "Zweinsamkeit" der Bademantel zur Burg und die größte Katastrophe besteht im Streit um den einen gemeinsamen Polster. Eine sehr tänzerische und körperkomische Arbeit. Den Abschluss bildet Stephanie Schreiters "Das Heimspiel der Begonien". Alice Peterhans und Bettina Schwarz drehen in klaustrophobischer Enge durch. Wenn sogar der Briefträger nicht mehr kommt -lebt man dann noch? Vier verschiedene Ansätze von "Burg", es ist ein runder Theaterabend geworden.

 FALTER 23/19, 5.6.2019


My home is my castle – Nachwuchswettbewerb 2019

Theater Drachengasse /// 27. Mai 2019 /// My home is my castle – Nachwuchswettbewerb 2019

Von Prepper_innen in Ottakring zu einem Geschwisterpaar, dessen Hausspinne ganz sicher und die Großmutter vielleicht tot ist: Die Antworten auf den Aufruf My home is my castle sind vielfältig und alle bezaubernd.

Der Nachwuchswettbewerb des Theaters Drachengasse, in Kooperation mit der Kulturabteilung der Stadt Wien, findet 2019 zum zwölften Mal statt. Insgesamt 53 Produktionen von jungen Theaterschaffenden wurden eingereicht. Meine Highlights im Feld der Zahlen rund um den Wettbewerb sind aber folgende: 67 Prozent der Teilnehmer_innen sind Frauen, 65 Prozent der Gruppen sind international besetzt.
Die ausgewählten vier Produktionen, die noch bis zum 15. Juni gezeigt werden, werden als 20-minütige Auszüge der Stücke aneinander gereiht präsentiert. Anschließend an die Vorstellung können die Zuschauer_innen für ihren Favoriten abstimmen – Die Produktion mit den meisten Publikumsstimmen erhält ein Preisgeld von 1 000 Euro.
Eine der vier Produktionen erhält außerdem den Jurypreis, der ein Preisgeld von 10 000 Euro und die Aufnahme einer Langfassung des Stücks in der Spielzeit 2019/20 im Theater Drachengasse vorsieht. Welche Stücke gewinnen wird im Anschluss an die letzte Vorstellung am 15. Juni verlautbart.

Hier meine Eindrücke zu den vier Stücken der Finalist_innen:

INCH Bag unisex S50x35 – I’m never coming home

Mit Ninjakicks und in Nebelschwaden treten die Prepper_innen aus Wien-Ottakring auf die Bühne. Der festen Überzeugung folgend, dass die Apokalypse unausweichlich ist und bald bevorsteht, treffen die vier Figuren Vorkehrungen: Jede Woche treffen sie sich und packen zusammen ihren Koffer, äh, Rucksack. Der Rucksack zum Überleben. Was zum Packen animiert sind Furcht und der Wunsch nach Sicherheit, aber das kann’s doch nicht gewesen sein, mit der Welt … Oder? Ist es denn schon so weit, dass wir nichts anderes mehr machen können, außer uns auf die Apokalypse vorzubereiten? Abwechselnd im Chor oder im Spotlight allein spielen die Schauspieler_innen, der Text ‘mal’ exakt, lyrisch gestrickt, ‘mal in Alltagssprache. Das Stück lässt das Publikum manchmal kichernd und manchmal nachdenklich zurück.
Stichworte: Dramedy, Survivalists, lyrischer & alltäglicher Ton

Lebensmenschen

Sie trafen sich in einem Darkroom: Sie fand ihn heiß, er sie nicht, also nicht so, denn er mag Männer – und trotzdem sind sie aneinander picken geblieben: Kira und Markus sind Freunde geworden, und hört man ihnen bei den Kabbeleien zu, vergisst man manchmal, dass sie kein Paar sind. Kira will ein Kind von ihm, Markus ist sich unsicher: Er sagt, dass, wenn man als schwuler Mann in Kroatien aufwächst, Kinder haben nicht denkbar ist. Sie sprechen über Vergangenes, die Gespräche drehen sich immer wieder um Herkunft und Heimat. Die Gleichung “Herkunft = Zuhause” ist eine Gleichung, die so für sie nicht aufzugehen scheint.
Stichworte: Psychologisch, Familie anders gedacht, Nicht-Weiß sein

Zweinsamkeit

Marzella Ruegge eröffnet das Stück mit einem Monolog, in dem sie die Leistungsgesellschaft mit Aussagen wie: “Ist es schon Zeit Kinder zu bekommen oder vermiesen die mir nur die Jobchancen?” kritisiert. Danach beginnt sie sich gemeinsam mit ihrem Partner, gespielt von Matthias Friedel, bettfertig zu machen. Der vor Körperkomik sprießende Konflikt um den gemeinsamen Kopfpolster zeigt, warum miteinander schlafen so schwierig ist, denn das Ego ist selten so groß wie im Bett. Den Konflikt trägt man selbstverständlich stillschweigend aus, denn man will ja nicht miteinander streiten.
Dem Publikum offenbart sich ein durchchoreographiertes Zusammenleben zweier Personen mit sehr gegensätzlichen Perspektiven: Sie beschäftigt sich mit den negativen Einflüssen der Außenwelt und der Gesellschaft auf ihr Leben. Er zollt dem keine Aufmerksamkeit, verfällt aber völlig in Rage über einen Fleck in den eigenen vier Wänden, der zuvor nicht da war.
Stichworte: Durchchoreografiert, Körperkomik, zusammen nur zuhause.

Das Heimspiel der Begonien

Das Setting gibt bereits einen deutlichen Ton an: Ein merkwürdiges Gemälde einer Frau mit zwei Kleinkindern an der Wand, die Gewänder von Alice Peterhans und Bettina Schwarz in scheußlichen Farb- und Musterkombis schmerzen in den Augen. Als Kind der 2000er Jahre erinnert mich die eingespielte Musik an die fröhlich-verspielte Ukulelemusik von SpongeBob Schwammkopf.
Der Dialog des Geschwisterpaars Grete und Gregor dreht sich darum, dass sie ewig schon keine Post mehr bekommen haben, die definitiv erschlagene Spinne, die vielleicht tote Großmutter und die Frage, ob man vielleicht selbst tot sei, denn wenn man tot wäre, würde man sicherlich keine Post mehr kriegen. Nach dieser Manier verzwirbeln sich die Überlegungen der Figuren zu immer abstruseren Schlussfolgerungen, die das Publikum in ihrer Absurdität mehr und mehr zum Lachen bringen. Wie in einer Blase gefangen, aber in dieser ganz zufrieden, leben Grete und Gregor (oder vielleicht auch nicht, denn das würde ja die fehlende Post erklären.)
Stichworte: Kauzig, urkomisch, was-ist-jetzt-mit-der-Großmutter!?!

Fazit: Jedes Stück hat eine spannende andere Perspektive auf die Frage, wie und was zuhause sein kann, jetzt und hier. Ich bin froh, dass ich nicht entscheiden muss, welches Stück gewinnt, denn sie waren alle großartig, alle auf ihre eigene Art und Weise. Der Abend ist kurzweilig und durch die sehr unterschiedlichen Produktionen abwechslungsreich – Einfach sehenswert! <3

P.S.: Ich habe am Montag die Theatermacher*innen gefragt, was in ihren Produktionen “zuhause” bedeutet – Die Antworten sind als Highlight „zuhause?“ auf unserem Instagramprofil @neuewiener zu finden.

www.neuewiener.at, 3.6.2019


Wenn Burgen die Insaßen selber einsperren

„My Home is my Castle“ ist Motto des Nachwuchsbewerbs im Theater Drachengasse (Wien). Vier (selbst-)ironische Finalstücke.

„Wovor fürchte ich mich mehr: Freiheit oder Sicherheit?“ Das ist nicht die Losung auf einem Demonstrations-Transparent. Die Frage findet sich verpackt in einem Glückskeks. Keines, das es handelsüblich zu kaufen gibt. Das Glückskeks schon. Aber nicht den zitierten Spruch auf schmalem Papierstreifen. Ein paar Dutzend solcher bekannter Glückskekse hat eine der vier Finalgruppen des diesjährigen Nachwuchsbewerbs im Theater Drachengasse vorsichtigst mit Fragen statt der üblichen horsokopartigen Allerweltsweisheiten befüllt und die Verpackung neu zugeklebt.

Zuvor hatten sie Hunderte der harten Weizengebäcke in ihren Verpackungsfolien aus Rucksäcken auf der Bühne aus ihren Rucksäcken geleert. Den Rucksäcken gaben sie die Bezeichnung INCH, als Abkürzung für I’m Never Coming Home. Das Niemals-Nach-Hause-Kommen des Quartetts Annina Hunziker, Moritz Ilmer, Rachel Müller und Wiebke M. Yervis steht in ihrer 20-minütigen Szenen-Skizze eher für ein nie irgendwo zu Hause (gewesen) sein. Seit zwei Jahren treffen sie einander wöchentlich um zu besprechen und übern, was sie in ihre „Überlebensrucksäcke“ einpacken sollen/können/müssen - eine „Selbsthilfegruppe für die Apokalypse“, wie sie’s einmal auf den Punkt bringen. Ihr Zuhause sind diese Rucksäcke.

(Selbst-)ironischer Grundtenor

So tragisch das klingen mag, die vier performen ihren Stückentwurf „INCH Bag unisex S50x35– I‘m never coming home“ genauso wie auch die drei anderen Gruppen mit (Selbst-)Ironie und satirischem Grundtenor. (Sie Buchstaben-Zahlenkombination ist ein reiner Gag und keine Größenangabe, gesteht die Gruppe dem Reporter.) Zum 12. Mal hat dieses kleine innerstädtische, engagierte Theater - in Kooperation mit der Stadt Wien - einen Nachwuchsbewerb ausgeschrieben. Thema des diesjährigen Bewerbs: „My home is my castle“.

Die vier besten aus 53 Projekten

187 Theatermacher_innen hatten 53 Projekte eingereicht. Vier Projekte wurden zur weiteren Bearbeitung ausgewählt, die jeweils 20-minütige Szenen - als Stückentwürfe - bis Mitte Juni im Theater - alle vier an jedem Abend - spielen. Am letzten Spieltag, dem 15. Juni, werden nach der Vorstellung die zwei Sieger_innenprojekte des Wettbewerbs bekannt gegeben, die über Publikumsabstimmung und Juryentscheid ermittelt werden.

Die Gewinner_innen des Publikumspreises erhalten 1.000 Euro. Der Jurypreis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird von der Kulturabteilung der Stadt Wien zur Verfügung gestellt, um das gekürte Sieger_innenprojekt für die Aufführung in der folgenden Saison weiter auszuarbeiten. Die Jury besteht heuer aus Cornelia Anhaus (WERK X-Petersplatz), Kolja Burgschuld (Kuratorium der Stadt Wien) und Anne Wiederhold (Brunnenpassage).

Widerspruch in sich

Das Bewerbsmotto vom Heim, das gleichzeitig burgartiges Schloss ist und einerseits Biedermeierlichkeit und andererseits Festung mittransportiert, setzt das Projekt „Lebensmenschen“ wie eine Art Widerspruch in sich um. In einem Ambiente à la kleinbürgerlicher Idylle versuchen sich zwei Alternative einzunisten. Eine urösterreichische schwarze Frau und ein schwuler Yugo-Mann leben zweisam zusammen. Trotz ihres doch so diversen Hintergrundes mitunter von „vertrauten“ Vorurteilen behaftet, wissen sie einerseits: Kleinfamilien-Idyll ist nicht ihres. Allerdings scheint es ein unausgesprochenes Agreement zu geben, dass sie von ihm ein Kind will. Dem vordergründig alternativen Setting setzen sie bekannte vorwurfsvolle Beziehungsmuster entgegen: „Du liebst es zu leiden!“ „So kannst du leichter aufgeben!“... (Stückentwicklung: Kira Lorenza Althaler, Markus Bernhard Börger, Dino Pešut, Shahrzad Rahmani, Isabella Sedlak.)

Einsam in der Zweisamkeit...

... spiegelte sich schon im zuvor beschriebenen Kurzstück. Im dritten szenischen Entwurf des Abends wird sie mit dem Stücktitel sogar zu einer neuen Wortkreation: „Zweinsamkeit“. Maximilian Friedel und Marzella Ruegge scheinen in einem Nirgendwo sich (n)irgendwie zu fühlen. Einerseits zelebrieren sie Nichts, Leere, Langeweile, andererseits doch den Kampf um den Platz, den sie vermeinen, dass er ihnen zusteht. Letzteres besonders amüsant und kreativ als im Stehen “Schlafende“ entlang der hinteren Bühnenwand.

Das Heimspiel der Begonien

Die übergroße Mutter im Bild - mit den beiden damaligen sehr jungen Kindern - dominiert von der Rückwand der Bühne als Art Überwachungskamera die scheinbare traute geschwisterliche Idylle von Grete und Gregor. Wie in ein Schneckenhaus zurückgezogen versuchen sie zu vermitteln, sie würden einander genügen, weswegen sie gaaaanz lieb zueinander sein müssten. Und in jeder Sekunde lassen Alice Peterhans und Bettina Schwarz in ihrem Spiel spüren, alles erlogene Fassade. Die beim kleinsten Konflikt nicht nur Sprünge zu bekommen droht, sondern gleich das ganze Gebäude zum Einsturz bringen könnte.

Immer wieder treten die beiden aus ihren Rollen heraus, um ihre Figuren sozusagen zu beobachten oder auch in Frage zu stellen. Und trotz des tragischen Ernstes in der grotesken Situation Lachen Raum zu geben.

https://kurier.at/kiku, 30.5.2019


Spielplan Januar 2022