Die Kümmerinnen in: Leuchtkraftformel

  • Eine found footage opera von Katharina Tiwald
  • Bar&Co
  • 22. September – 4. Oktober 2014
    Di-Sa um 20 Uhr

Publikumspreis des Nachwuchs-Theater-Wettbewerbes 2013
In Koproduktion mit Theater Drachengasse

 

Die Grundlage unserer Arbeit ist Beauty... es muss ja nicht immer alles so kompliziert sein.




 

Comedy meets Sprachkunst meets Gender: Vier junge kompromisslose Künstlerinnen, Die Kümmerinnen, touren um die Welt mit ihren sexy Sprachschlachten und machen ordentlich Furore. Sie landen in einer turbulenten Radiosendung und präsentieren uns – und einer ehrgeizigen Praktikantin eines überregionalen Radiosenders – ihr neues Kunstprojekt: die Suche nach der ultimativen „Leuchtkraftformel“! Dabei wird wild mit Sprache und Musik experimentiert.

Und so wird ein Radiohit plötzlich zur Oper und führt uns schließlich in die Redaktion einer Frauenzeitschrift. Dort kauen die Chefredakteurin, zwei Angestellte und eine Praktikantin die ganze Bandbreite der aberwitzigen Frauenbilder durch, die heute noch (remember: 21. Jahrhundert!) die Welt beherrschen.

Werden sie es schaffen, sich aus dem Girlie-Schlankheits-Wahnnetz zu winden? Wird es ihnen gelingen, sich zum Wort „Solidarität“ vorzuarbeiten? Hinzudichten? Durchzusingen? Was trägt die Braut von heute? Was machen Kinder mit der Karriere? Und was bitteschön haben Thomas Hampson und Britney Spears damit zu tun?

Eine spoken word-performance der ganz anderen Art.
Musikalisch, weiblich, wunderschön ...
 

Regie: Julia Nina Kneussel 
Bühne, Kostüm: Gudrun Lenk-Wane
Regieassistenz: Martina Theissl 
Es spielen: Anna Maria Eder, Katharina von Harsdorf, Constanze Passin, Lisa Schrammel

Rechte bei Edition Ausblick Wien

Weißer als weiß, schöner als schön... Humorvolles Spiel mit Sprache und Klischees rund um Werbung und Frauenbilder im Theater Drachengasse.

Alles sehr weiß. Ein bisschen edel. Und ein wenig steril. Couch, Hocker, ein fahrbarer Kleiderständer voller – eh kloar – weißer Gewandstücke, Schuhe… - so präsentiert sich die Bühnendeko. Doch los geht’s nicht dort oben, sondern mit einer bei der Tür hereinstürzenden „Shit, Sch…“ schreienden, abgehetzten Akteurin auf der gegenüberliegenden Seite von Bar&Co, einem der beiden Säle des Theaters Drachengasse. Das viele Weiß ist der zweiten Hälfte des Stücktitels gewidmet: Leuchtkraftformel. Werbung und ihre überhöhten Superlative – „weißer als weiß“ – sind ein Thema, das das Bühnen-Quartett aufs Korn nimmt.

Beauty!?

Die auch ganz in Weiß hetzend, stolpernde Akteurin ist Radioreporterin. Und ein bisschen zu spät dran. Endlich landet sie auf der Bühne, bei den „Kümmerinnen“, einmal Künstlerinnen, einmal Redakteurinnen eines Magazins, das sich Frauenzeitschrift nennt. Aber nicht um Gleichberechtigung kämpfend im Sinne von „Emma“, sondern auf hip und modern getrimmt was in Vor-Emanzipationszeiten als solche bezeichnet wurde: Mode- und andere Tipps – die schicksten Bikinis, die tollsten Make-Ups, die besten Wege zur straffen Sommerhaut, die perfekte (Brust-)Chirurgie, Kleider für „den schönsten Tag des Lebens“ … Die Diskussionen ums Cover pendeln zwischen „nehmen wir die Blonde mit den Rehaugen oder die Dunkle mit den Sternenstaublocken?“ „Was kommt am besten bei Anzeigenkunden an?“  Die stets mitgedachte, oft genug aus ausgesprochene Maxime lautet „Beauty!“

Die Radioreporterin als Praktikantin in der Zeitschrift ist entsetzt – und wird mit ihren grundsätzlichen Fragen zu Machtverhältnissen oder gläserner Decke abgeschmettert. Es gehe eben schlicht ums Business und da sei Quote der einzige Maßstab.

Ein Fest der Sprachkunst

Gut, dass es kein „happy end“, ja fast eine paradoxe Intervention gibt. So bleibt die Aufgabe, selbst zu hinterfragen – ob sich der herrschenden Logik zu unterwerfen oder zu widersetzen. Noch besser an dem Stück von Katharina Tiwald ist das Feuerwerk an Sprachspielen und –melodien. Eine Stunde lang ein von viel mitunter bissigem Humor durchzogenes Sprachkunst-Musikfest bei dem das Lachen mitunter im Hals stecken bleibt. Nicht zuletzt, weil die persiflierten Klischees mitunter wiederum selbst transportiert werden.

kurier.at, Heinz Wagner, 2.10.2014


Miss-Lagen

Klischees und Sprachspiele bei der Premiere im Theater Drachengasse.

Klangstarke Inszenierung von Katharina Tiwald im Genderformat.

Vier schöne Frauen, ein angenehmer Abend. Doch genau das war es ja eigentlich nicht. Das heißt, der Abend war schon gelungen, die Frauen auch schön, aber so einfach sollte es dann doch nicht sein. Denn die weibliche Schönheit war es gerade, die an diesem Abend bei der Uraufführung von "Die Kümmerinnen in: Leuchtkraftformel" von Katharina Tiwald im Theater Drachengasse kritisch beäugt wurde. Sie ist es nämlich, so die Aussage des Stücks, die beim Sprechen über Frauen im Vordergrund steht - egal ob sie dabei tatsächlich von Relevanz ist, oder sein sollte.

Drei Künstlerinnen ("Die Kümmerinnen") und eine Praktikantin beim Radio stehen im Zentrum dieses sprach- und klangexperimentellen Stücks. In einer Radiosendung präsentieren sie dem Publikum ihr Kunstprojekt, die "sexy Sprachschlachten". Dabei führt der Weg in die Redaktion eines Frauenmagazins, wo man sich Themen für die nächste Ausgabe überlegt. Klischees versuchen sich dabei gegenseitig zu übertrumpfen, von "Welcher Frauentyp bin ich" bis hin zur "Schönheitschirurgie", denn - leider - kommt es dabei auch zu unsachgemäßen Pauschalisierungen: "Die Männerwelt will uns weismachen, eine schöne Intimfrisur gehört eben dazu."

Das wäre nicht nötig gewesen zu erwähnen (frau muss nicht schwärzer sehen als notwendig), gibt es doch nicht nur Männer, die ebenfalls unter dem gesellschaftlichen Patriarchat leiden, sondern ist auch die Frauenwelt mindestens genauso für gewisse Verhaltensweisen verantwortlich. Die "Schuldfrage", die man sich im Stück stellt und die auf die Opferrolle der Frau anspielt, hätte daher durchaus reflektierter präsentiert werden können.

Lust an der Sprache

Verheißungsvoll und zum Großteil gelungen sind die Sprachspiele, die von den vier Schauspielerinnen mit großer Lust und in ekstatischer Form geradezu zelebriert werden. Es wird geflüstert, gesungen, gerappt, geschrien, Wortspiele inklusive. Interessant auch die Thematisierung der "Kommunikationswissenschaften", auf deren Basis sich ein Klangteppich entfaltet, der von "Kokominukakationswischensaften" zu "Kaka wischen" wird und so das Interesse der Frau an der Karriere andeuten dürfte, das jedoch durch eine scheinbar unabwendbare Schwanger- und folgende Mutterschaft immer wieder gebrochen wird. Humor wird mit der ad absurdum geführten gläsernen Decke bewiesen, die sich ins Glashaus verwandelt und aus dem die Frau, wie sie weiß, nicht mit Bratpfannen werfen sollte. Wieder ist es die der Frau (auch von sich selbst) so eingeschriebene Rolle, die das Ausbrechen aus ihrer "Miss"lage verhindert. Letztere wird auch immer wieder durch elliptische, ins Leere führende Sätze verdeutlicht, es herrscht Ahnungslosigkeit. Abgesehen von einigen fragwürdigen Attacken gegen Männer, eine humorvolle Aufarbeitung von Klischees, eine klang- und sprachstarke Inszenierung.

WIENER ZEITUNG, 23.9.2014


Feminismus im Theater

Weiße Wäsche schmutzig waschen

„Shit“, tönt es durch den Theater-Raum der Drachengasse. Es ist das Erste, was die BesucherInnen zum Saisonauftakt zu hören bekommen. Ein unpassender Start in die Spielzeit 2014/15? – Keineswegs!

Mit Katharina Tiwalds Stück „Die Kümmerinnen in: Leuchtkraftformel“ (Publikumspreis des Nachwuchs-Theater-Wettbewerbes 2013) hat die frischgebackene Intendantin Katrin Schurich eine gute Wahl getroffen. Denn noch immer sind viele Dinge in puncto Gleichberechtigung schlichtweg zum Sch...

Klingt hart – ist es auch. Sexismen, Gehaltsschere, Gläserne Decke und das drohende Karriere-Aus durch Schwangerschaft: Das sind nur einige der Themen, denen sich Katharina Tiwald und Julia Nina Kneussel (Regie) im Verlauf der knapp einstündigen Aufführung annehmen – und das auf betont humorvolle Weise. Eine willkommene Abwechslung: bekommt man (oder doch frau) nicht jeden Tag die Möglichkeit, sich über Diätwahn und Schönheitszwang zu belustigen.

Ein Stück im Stück

„Die Kümmerinnen in: Leuchtkraftformel“ als Komödie zu bezeichnen würde allerdings zu kurz greifen. „Comedy meets Sprachkunst meets Gender“ heißt es im Programmheft. Und das trifft es tatsächlich ziemlich genau. Aber fangen wir vielleicht wieder am Anfang an. „Shit“, lautete dieser bekanntermaßen. Ein Wort, das einer jungen Radiopraktikantin (Katharina von Harsdorf) beim Versuch entfährt, noch rechtzeitig zu einem Interview mit dem Künstlerkollektiv „Die Kümmerinnen“ zu kommen. Endlich im Studio angelangt erfährt sie, und das Publikum mit ihr, dass die Musikerinnen eine Oper planen. Leuchtkraftformel soll diese heißen und sich mit dem Medienmarkt bzw. mit dem alltäglichen Redaktionswahnsinn einer Gruppe von Frauen bei einem Mode- und Lifestyle-Magazin befassen.
Was die ZuschauerInnen in Folge zu sehen bekommen, sind die Bemühungen der Redakteurinnen/Musikerinnen, die neue Ausgabe zu planen. Dabei wird in bestem Denglish „brain gestormt“, der eigene Intellekt zwecks Breitenwirkung unter den Tisch gekehrt und an persönlichen Lebensumständen (wie eine überraschende Schwangerschaft) verzweifelt. Alles mit einer gehörigen Portion an Comedy-Elementen. Äußerst komisch beispielsweise das Grimassenspiel von Anna Maria Eder, die als harte Chefredakteurin vom Phantom der Hausfrau verfolgt ins Wanken gerät. Nicht das einzige Zitat aus Musik und Medienwelt.

„Fit im Schritt, äh Schnitt“

Neben dem Phantom der Oper hat auch Britney Spears oder der eine oder andere verbale Ausrutscher heimischer oder ausländischer Parteien einen Kurzauftritt. Allen voran der bekannte republikanische Sager bezüglich Hillary Clintons Präsidentschaftskandidatur, ob man denn wirklich einer Frau vier Jahre lang beim Altern zusehen wollte. Angesichts solcher Aussagen können einem durchaus die Worte fehlen. Und diese fehlen auch den Protagonistinnen des Öfteren. Als solche stammeln und stottern sich die vier – zwecks Erfüllung eines weiblichen Reinheits-Klischees stets in Weiß gekleideten – Schauspielerinnen gekonnt durch das Stück: Das wienerische „Ham ma“ wird zum Hammer und der fitte Schritt zum Schnitt. Eine „found footage opera“, eine „spoken word performance“. So genau lässt sich das nicht sagen: Aber auf jeden Fall gelungen und definitiv nicht nur für Frauen sehenswert.

wieninternational.at, 25.9.2014


Weiß ist nicht immer auch unschuldig

„Leuchtkraftformel“ so heißt jene Aufführung der „Kümmerinnen“, mit welcher das vierköpfige weibliche Ensemble die Saison im Theater in der Drachengasse eröffnete. Und tatsächlich scheinen ihre Outfits mit einem Leuchtkraft-Waschpulver gewaschen worden zu sein, so blendend weiß sind sie. Jung, schick, schlank, gestylt und strahlend präsentierten Anna Maria Eder, Katharina von Harsdorf, Constanze Passin und Lisa Schrammel dem Publikum einen Text, oder besser eine Textcollage von Katharina Tiwald. Im Untertitel trägt die Produktion den Titel „found footage opera“ womit dieser auf bereits vorgefundenen Zitate anspielt, die Tiwald zu einem Textmix veranlassten, welche über jene Probleme Auskunft geben, die frau dachte, schon lange hinter sich zu haben.

Von der Bühne in die Redaktion

Konstruiert wird dabei zu Beginn die Geschichte einer erfolgreichen „three women show“ welche sich unversehens in das Redaktionsteam einer Frauenzeitschrift samt Praktikantin verwandelt. Aber nicht nur hier, sondern durchgehend sorgt die Regisseurin Julia Nina Kneussel dafür, dass an diesem Abend das Tempo atemberaubend hoch gehalten wird. Das Publikum wird nach diesem kaum wahrnehmbaren Szenenwechsel Zeuge einer Redaktionssitzung in der vom Cover – blondes oder dunkles Model? – über den Inhalt und die Titelgebung der Stories so ziemlich alles verhandelt wird, was an Frauenklischees des 21. Jahrhunderts so in der Welt herumgeistert. „Stormen wir brain“ heißt es da zu Beginn und sogleich tauchen die vier in die weiblichen Problemfelder ein die da sind: Kosmetik, Mode und Sex. Von der richtigen Mascaramarke über die Segnungen und Versprechen von Brustverschönerungen bis hin zur Frage „habe ich beim Sex etwas falsch gemacht?“ wird singend und rezitierend jedes auch noch so peinliche und zugleich belanglose Interessensfeld abgehandelt in das frau sich – so wird hier unterschwellig suggeriert – verbeißen kann. Vom Weißen ins Schwarze driftet das Geschehen in jener Szene ab, in der klar wird, dass die Chefredakteurin eine schwangere Kollegin gekündigt hat und fortan von der Vorstellung des „Phantoms der Hausfrau“ geplagt wird.

Sprache als Exerzierfeld der weiblichen Identität

Es ist nicht die schrille Show, basierend auf einem eher seichten Handlungsablauf, die den Abend dennoch sehenswert macht. Vielmehr ist es die fulminante Sprachbeherrschung, die Tiwald in ihren Text einschreibt und die mit voller Power von den vier Frauen über die Bühne gebracht wird. Da wird gerappt und ge-dada-t, da werden Gebetsformeln bemüht oder einfach mehrstimmig schön-gesungen, was die Stimmbänder hergeben. Die Bühnenpräsenz der vier Protagonistinnen ist umwerfend stark und überdeckt den inhaltlichen Makel. Die Autorin präsentiert mit „Leuchtkraftformel“ einen Parforceritt durch konstruierte weibliche Identitäten, wie sie hauptsächlich von Medien verbreitet werden und leistet damit jedoch diesen verqueren Ideen auch Vorschub. Die Frage der Praktikantin, was sie denn im Kreis dieser Redakteurinnen mache und ob sie dafür 7 Semester Publizistik studieren hätte müssen, stellt ein zu geringes Gegengewicht dar, als das frau sich an diesem Abend im Geschehen auch tatsächlich wiederfinden kann.

European Cultural News, 26.9.2014


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