Stalins Heiliger

  • Katharina Tiwald
  • Theater Drachengasse
  • 12. Mai – 14. Juni 2014
    Di-Sa um 20 Uhr

 
 

 
 

Uraufführung
Eigenproduktion Theater Drachengasse




 

Und jetzt alle gemeinsam: Alle Rechte sind gleich! Alle Würde ist gleich! Alles gleich! Jetzt und sofort! Mund auf, oder ich schieß!

Ein junger Mann mit zarten Pianistenhänden und starken oppositionellen Gefühlen glaubt nicht an Gott und nicht an Russland. Sein persönlicher Heiliger ist sein Urgroßvater, selig gesprochenes KGB-Opfer. Mit Spraydosen bewaffnet, dringt er in die Ausstellung „Achtung, Religion!“ ein.

Ein gefundenes Fressen für den Interrogator, der ihm 40 Jahre voraus hat. 40 Jahre und damit die Fähigkeit, über dem Spiel der Emotionen zu stehen. Denn Menschen und Emotionen sind flüchtig, nur das Land überdauert. Und so rinnt auch die Empörung des jungen Mannes, als der Interrogator ihn zum Verteidiger der russischen Ehre machen will, an ihm ab wie Spucke an der Glasscheibe.

Wie viele Götter gibt es? Einen Urgroßvater-Gott. Einen, der das Land rettet. Einen, der Gebete erhört. Einen, der durch die Musik die Herzen aufbricht. Einen Gott wie einen Interrogator, der in den Himmel heben oder vernichten kann?


Regie: Alexander Medem
Bühne, Kostüm: Katharina Heistinger
Animation Handpuppen: Vincenzo Granato
Sounddesign: Rainer Spechtl
Regieassistenz: Anna-Christina Hanousek
Es spielen: Susanna Hirschler, Victor Couzyn, Rainer Spechtl, Boris Popovic

Rechte bei Edition Ausblick Wien
 

"Stalins Heiliger" Hörprobe mp3

 

GOTT IST NICHT GENUG
Eine Ausstellung, kuratiert von Katharina Heistinger als Bühnenbild zum Stück Stalins Heiliger
Vernissage nach der der Premiere: 12. Mai 2014 ab 22 Uhr
Weitere Besichtigungstermine: 15. Mai, 22. Mai, 29. Mai, 12. Juni 2014, 22 bis 24 Uhr

Es stellen aus: Johanna Braun, Hugo Canoilas, Valery Chtak, Anna Ceeh, Anna Egarmina, Georgiy Melnikov, Michael Niemetz, Adnan Popovic, Maximilian Pramatarov, Ales Pushkin, Ekaterina Shapiro-Obermair, Selina Traun

Ein Georgier mit Meidlinger "l"

Tiwalds "Stalins Heiliger" im Theater Drachengasse

Wien - Bertolt Brecht bezeichnete Sowjetdiktator Josef Stalin einst als "verdienten Mörder des Volkes". 1912 verbrachte der Georgier einige Monate in Wien. An diesen Umstand erinnert heute eine formschöne Tafel in der Schönbrunner Straße. Stalin fand in Meidling genug Muße, um das in Stalinistenkreisen hochgeschätzte Werk Marxismus und die nationale Frage zu verfassen.

Stalins Comeback in Wien vollzieht sich dieser Tage im Theater Drachengasse auf dem Fleischmarkt. Zwar spielt Katharina Tiwalds neues Stück Stalins Heiliger in der jüngeren Vergangenheit und ist in Moskau angesiedelt, genauer gesagt: in einem Verhörkeller des russischen Inlandsgeheimdienstes. Doch die Autorin hat es sich nicht nehmen lassen, dem mörderischen Autokraten zu einem Comeback zu verhelfen.

Stalins Wiederkehr ist in der Tat ein Meidlinger Ereignis. Es erscheint ein kolossaler Mann in brauner Uniform (Rainer Spechtl), der seine Jugend in der Wiener Vorstadt verlebt zu haben scheint. Er äußert sich dialektal unfein über die dralle blonde Russin (Susanne Hirschler), die vor ihm auf Knien herumrutscht. Er stellt sogar sehr nachdrücklich die Sauberkeit ihres Geschlechtsorgans in Frage. Man wird nicht schlau aus dieser Hanswurstiade. Die Blonde greint: "Papi der Völker!" Dschugasch Willi (sic!) kontert: "Wilhelmine, mir graut vor dir!" Aber immerhin gibt Spechtl einen leidlichen Vater Ubu ab.

Solide Verhörszenen

Der überwiegende Rest des Stücks ist ein solider Verhörthriller (Regie: Alexander Medem). Der angebliche Vandalenakt eines angehenden Konzertpianisten (Boris Popovic) ermöglicht es dem "Interrogator" (Victor Couzyn), den jungen Mann in die Zange zu nehmen. Die Beschädigung eines Kunstwerks soll zum Akt nationalrussischer Besitzstandswahrung umgelogen werden. Couzyn funkelt den Sachschädling dämonisch an. Der Jüngling wollte bloß das Andenken seines Urgroßvaters rein erhalten, der zur Zielscheibe einer künstlerischen "Intervention" geworden war. Der Uropa wiederum galt als Heiliger Mann und fand in den Verhörkellern der Lubjanka sein Ende.

Das Stück ist aller Ehren wert. Seine Hochbedeutsamkeit gereicht ihm allerdings nicht zum Vorteil. Stalins Auftritt als korpulenter Liliom ist obendrein entbehrlich.

(DER STANDARD, 14.5.2014)


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