Und immer ist Sturm

  • Das Finale
  • Bar&Co
  • 29. Mai – 17. Juni 2017, Di-Sa um 20 Uhr
  • Nachwuchswettbewerb 2017





















Das Motto des zehnten Nachwuchswettbewerbs Und immer ist Sturm ist auf reges Interesse gestoßen. Insgesamt wurden 64 Projekte eingereicht, vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum, einzelne Einreichungen kamen aus der EU. Nach vier Tagen intensiver Hearings, zu denen 16 Gruppen eingeladen waren, stehen jetzt die FinalistInnen fest. Ausgewählt wurden vier Projekte, die uns durch einen klaren inhaltlichen Fokus und eine schlüssige theatralische Umsetzung überzeugen konnten.


Die FinalistInnen


Das was ist, ist 
Die Klitoris und der klitorale Orgasmus werden nach wie vor gerne als Mysterium beschrieben und einem offenen Diskurs entzogen. Ist das Reden über den klitoralen Orgasmus nur ein Kampfplatz um Macht und Deutungshoheit, oder gibt es ein Wissen über die Klitoris, dem ich vertraue und das ich teilen kann? Das was ist, ist zeichnet ein multiperspektivisches Bild der Klitoris zwischen Ernst und Ironie.

Konzept, Text, Regie, Bühne, Kostüm, Musik und Performance:
Barbara Juch, Charlotte Bohn, Franziska Kabisch
Ausstattung: Maren Blume

 

Wind / Stille
Was passiert, wenn der Konflikt nicht stattfindet? Was passiert, wenn Gefühle des Stillstands und der Ratlosigkeit auf zunehmende Radikalisierung treffen, aber der Sturm, der hierarchische Ordnungen und Positionen in Bewegung bringt, ausbleibt? Ausgehend von Shakespeare kreist Wind / Stille um das zunehmend diffuse Krisenbewusstsein in unserer Gegenwart und fragt, was passiert, wenn eigentlich nichts passiert.

Text, Regie: Teresa Kovacs, Roman Hutter
Bühne, Kostüm: Julia Grevenkamp
Licht, Sound: Helen Farnik
Bühnen-, Kostümassistenz: Lisa Becker
Es spielen: Clara Diemling, Benjamin Kornfeld, Florian Werkgartner

 

Oh, wie schön ist Panama
Ein Projekt von Rieke Süßkow und Emre Akal

Der Andrang der aus den Kriegsgebieten fliehenden Menschen wird durch die politische Rhetorik zur Naturkatastrophe. Also was tun, wenn die Apokalypse vor der Tür steht? Wie wäre es mit Abhauen? Irgendwohin, wo wir vor den „Flüchtlingsströmen“ sicher sind und wo wir uns einen eigenen, nigelnagelneuen utopischen Staat aufbauen können, in dem wir fernab und abgeschottet von der gefährlichen Außenwelt in einer homogenen Gesellschaft nach den eigenen Idealen leben können.

Text: Emre Akal
Regie: Rieke Süßkow
Bühnenbild: Lukas Fries
Sounddesign: Paul Wolff
Requisite, Kostüm: Raffaela Schöbitz
Regieassistenz: Azelia Opak
Es spielen: Deniz Baser, Julia Carina Wachsmann
, Burak Uzuncimen

 

Volksbühne Wien
Gold Schlamm Entertainment
Die Stimmung ist aufgeheizt. Caliban, die Vertreterin des weiblichen Prinzips, und Prospero, der Vertreter männlicher Herrschaft, betreten das Feld der letzten Schlacht um den hegemonialen Mythos der Welt. Wer wird siegen? Gold Schlamm Entertainment stellt die scheinbar natürliche Notwendigkeit der binären Geschlechteropposition in Frage und postuliert das Matriarchat als Utopie der Stunde.

Text, Konzeption: Clara Gallistl
Regie: Alexander Tilling
Es spielen: Dolores Winkler, Lisa Furtner


Die ausgewählten 20-Minuten-Projekte werden 3 Wochen in der Bar&Co zu sehen sein (Premiere: 29. Mai 2017). Den Gruppen steht in der Probenphase die Regisseurin Katharina Schwarz als Coach zur Seite. Es gibt zwei Preise zu gewinnen: den Publikumspreis, der mit 1.000 Euro dotiert ist, sowie den Jurypreis. Jenes Stück, das die Jury (Ali Abdullah, Werk X Wien, Corinne Eckenstein, DSCHUNGEL Wien und Bettina Hagen, Kuratorium der Stadt Wien) zum Sieger kürt, erhält 5.000 Euro von der Kulturabteilung des Magistrats der Stadt Wien für die weitere Ausarbeitung des Projekts in der kommenden Saison.

TRAILER https://youtu.be/0lBo_M4cvGA

Ausschreibung
Statistik
Resümee

Und immer ist Sturm

Das Motto „Und immer ist Sturm“ lässt sich denkbar breit auslegen. So bestreiten den heurigen Drachengasse-Nachwuchswettbewerb vier sehr unterschiedliche Kurzstücke – eines gewinnt am Ende Geld für die abendfüllende Weiterentwicklung. Die Juryentscheidung wird schwer, die Inszenierungen bürsten ihre Stoffe reizvoll gegen den Strich: In „Das was ist, ist“ durchsuchen drei Performerinnen die Bühne seelenruhig nach dem G-Punkt. „Wind / Stille“ lässt eitle Strandurlauber über Flucht und Willkommenskultur diskutieren. In „Oh, wie schön ist Panama“ entfaltet sich auf einem Sofa vor Stacheldraht ein großes, unbequemes Auswandererdrama. Und „Gold Schlamm Entertainment“ extrahiert aus Shakespeares „Sturm“ feministisch zugespitztes Geschlechtercatchen samt Theaterkritik. Lob auch an die Makrodramaturgie: Feiner Beginn, tolles Ende!

 Falter 22/17


Aus Sturm wird Windstille, Gegenwind und Stacheldraht

Vier Gruppen zeigen 20-Minuten-Stücke beim Nachwuchsbewerb des Theaters Drachengasse
"Und immer ist Sturm".

Zwei Vierzeiler aus Shakespeares „Sturm“ waren der Ausgangspunkt für alle Theaterprojekte des nunmehr zehnten Nachwuchsbewerbs des Theaters Drachengasse (Wien). Aus den 64 eingereichten wurden 16 zu Hearings eingeladen und vier zeigen nun - bis 17. Juni 2017 - 20-Minuten-Versionen. Selber Ausgang, vier verschiedene Stücke – ziemlich unterschiedlich noch dazu.

In „Gold Schlamm Entertainment“ etwa baut sich im Boxring der sich überlegen darstellende Heroe Prospero auf, die (von einer Frau gespielt) runtermachende Schimpftiraden auf und gegen Caliban loslässt. Diese Figur, die das monsterhaft Naturwüchsige bei Shakespeare symbolisiert wird hier von Prospero obendrein als weibliches Prinzip etabliert und für minderwertig befunden. Caliban kontert damit, ja gar nichts sprachlos zu sein, sondern nur entweder einfach nicht gehört zu werden oder gar zum Verstummen gebracht worden zu sein. Bevor’s zum Showdown hinter den Seilen mit Heavy-Metal-Klängen und Wasserspritzern kommt, fallen noch – wie auch in anderen Stücken – Anklänge an aktuelle gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen wie Wertekompass usw. Letztlich aber wird hier auch in Frage gestellt, ob es stets den Kampf der Geschlechter geben  müsse.

Bei „Oh, wie schön ist Panama“ (der von Janosch berühmten Bilderbuch entliehene Titel ist leider doch verwirrend) pflanzt sich ein kleinbürgerliches Paar, das sich nicht (mehr) viel zu sagen hat, auf eine aufblasbare Couch neben einem Gebirge aus Konservendosen. Im Hintergrund Stacheldraht. Und damit Aktuelles allgegenwärtig. Auch das wird wie alles andere, nur mit wenigen Worten gestreift. Und auf einmal ist neben Franz und Magda ein dritter da. Ein Fremder? Oder doch „nur“ die Erinnerung an den verstorbenen, an der Enge erstickten (?) Sohn?

Wind / Stille“ nimmt schon mit dem Titel Bezug auf Shakespeares "Sturm". Drei am Strand Badende  scheinen zu hoffen, dass das Boot am Meer auf sie zusteuert, gar Schiffbruch erleidet. Aber nichts, es segelt einfach vorbei. Allgemeinplätze wie „man weiß ja nichts ..., da muss man ja ...“ lassen allgemeine Wutbürger_innen-Anwandlungen anklingen. Und irgendwie Enttäuschung, dass es doch nun nicht zum Konflikt, zum Wickel kommt, weil das Boot mit seinen Insaß_innen vorbeizieht. Die diffuse Unzufriedenheit bleibt ebenso wie weiter Angst geschürt wird.

Um ganz andere Stürme geht es im vierten der ausgewählten Kurzstücke. „Das was ist, ist“ dreht sich um weibliche Sexualität und ihre über Jahrhunderte ja Jahrtausende währende Unterdrückung, ja nicht einmal das (An)erkennen. Schon allein über Farben mehrere Vorhänge und Wortspiele wird ein sinnliches Plädoyer für klitoralen Orgasmus gespielt.

kurier.at


Windstärke: Windstill

Das Theater Drachengasse lockt zur Premiere des Nachwuchswettbewerbs am Montagabend, den 29.5.2017 in seine Bar. Das Motto "Und immer ist Sturm", sowie zwei Zitate aus Shakespeares The Tempest bewegten viele junge Künstler und Künstlerinnen dazu, ihre Projekte einzureichen. In der finalen Runde müssen sich schlussendlich vier Produktionen vor einer namhaften Jury (Ali Abdullah, Corinne Eckenstein, Bettina Hagen) beweisen und haben die Möglichkeit ein Preisgeld zur Förderung der vertiefenden Ausarbeitung ihres Projekts für die kommende Spielzeit zu erhalten.

In Das was ist, ist sind drei Performerinnen (Barbara Juch, Charlotte Bohn, Franziska Kabisch) auf der Suche nach dem "Mythos" der weiblichen Sexualität und seiner Aufdeckung. Der Vorhang öffnet sich nur, um dahinter den Blick auf weitere freizugeben und verliert sich in einer Schleife aus Wiederholungen, Längen und Reflektionen über sexuelle Heterogenität.

Nach kurzer Dunkelheit betreten drei SchauspielerInnen (Clara Diemling, Benjamin Kornfeld, Florian Werkgartner) in knallblauen Badeanzügen und Strohhüten den Raum. Wind / Stille beschäftigt sich mit dem Krisenbewusstsein unserer Gesellschaft. Nur Unwichtiges wie der schöne Urlaub am Meer wird zur Gänze ausgesprochen, während das Wichtige ständig unterbrochen wird oder nur als Wortfetzen ins Publikum gelangt. Ein Spiegel, in dem uns unsere Gesellschaft und ihre Stagnation entgegenblicken. Der Konflikt bleibt aus. Flaute.

Oh, wie schön ist Panama schafft einen utopischen Staat fern von jeglichen Krisen und merkt, dass nicht mehr viel übrig bleibt. Großartig umgesetzt fehlt zwei eingerosteten Robotern die Luft zum Atmen. Erst wenn sie das Fremde von dort draußen durch ihre Tür lassen, wenn sie fühlen, werden sie wieder lebendig. Julia Carina Wachsmann, Burak Uzuncimen und Deniz Baser verzaubern, sodass man Lust auf mehr bekommt.

Im Ring des Gold Schlamm Entertainments stehen sich Caliban (Dolores Winkler) und Prospero (Lisa Furtner) gegenüber. Sie befinden sich im Kampf um die Hegemonie der Welt. Das Wunschbild Matriarchat tritt gegen die bestehende männliche Herrschaft an. Und dann regnet es Glitzer.

Ende. Tosender Applaus.

"Und immer ist Sturm" kürt am 17. Juni die Gewinner. Bei einem Besuch der Vorstellung zwischen 30.5. – 17.6. sollte man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, für seinen Favoriten in der Kategorie Publikumspreis abzustimmen. Bis dahin bleibt es spannend.

etc-magazin.com, 1.6.2017


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