Rudi langt’s

  • Ein Musiktheater von Alexander Kukelka
  • Neues Wiener MusikTheater und Theater Drachengasse
  • Bar&Co
  • 12., 13., 15., 16., 20., 21. und 22. März 2018 um 20 Uhr
    Doppelvorstellung am 24. März 2018 um 17 Uhr und um 20 Uhr










































Vom alles mitreißenden Strom der Digitalisierung nicht verschont geblieben und wie nutzloses Treibgut an die analogen Gestade eines vergessenen Eilands gespült, hat Postbote Rudi schon seit Ewigkeiten keine Post mehr zugestellt. Inmitten seines mit Briefsendungen zugemüllten Postlagers fristet er ein bizarres Einsiedler-Dasein. Als schließlich die letzte Glühbirne ausgebrannt und das letzte Würstchen verzehrt ist, beschließt er Schluss zu machen. Da bricht auf einmal ein ungebetener Gast in sein Leben, der dieses von nun an buchstäblich auf den Kopf stellt. Rudi langts nun endgültig, aber der Quälgeist lässt sich nicht mehr abschütteln und so geraten er und sein neuer Kompagnon immer tiefer in einen Strudel surreal-phantastischer Ereignisse.

Rudi langts – Eskapismus der besonderen Art als absurd-groteske Robinsonade mit Musik.

Komposition, Buch, Regie, musikalische Leitung: Alexander Kukelka
Bühne, Kostüm: Maria Theresia Bartl
Regieassistenz: Carmen Jelovcan
Assistenz Bühne, Kostüm: Anna Salobir
Dramaturgie: Kathrin Kukelka-Lebisch
Flöte: Sabine Walter
Fagott: Robert Brunnlechner/Nikolaus Höckner
Schlagwerk, Perkussion: Kevan Teherani/Max Calanducci
Klavier: Alexander Kukelka
Es spielt: Rudolf Widerhofer

Rechte bei Alexander Kukelka/Neues Wiener MusikTheater

Förderstellen und Partner: Kulturabteilung des Magistrats der Stadt Wien, BKA, OESTIG, Staud´s Wien, Musiktheater Wien, Klavierhaus A. Förstl, Österreichischer Komponistenbund

neueswienermusiktheater.org/

Ein Postbeamter außer Rand und Band

Als der Postbeamte Rudi von einem Tag auf den anderen keine Post mehr abzuarbeiten hat, flüchtet er in eine Traumwelt. Alexander Kukelka schuf in seinem neuen Musiktheater „Rudi langt`s“ ein märchenhaftes Stück, in dem sich ein Postbote letztlich zu einem musizierenden Abenteurer verwandelt. Mit Rudolf Widerhofer als Postbote Rudi steht ihm ein Charakterschauspieler zur Seite, der erst den gelangweilten, dann gestressten und schließlich außer Rand und Band geratenen Angestellten ohne Sprache mimt.

Dabei bedient er sich der ursprünglichsten Mitteln des Theaters und verwandelt die Bühne im Laufe des Stückes von einer Postdienstelle in eine Pirateninsel. Schachtel um Schachtel, die Rudi zuvor mehr oder weniger sorgsam als Postbote abstempelte, werden geleert und die darin befindlichen Objekte in sein Spiel und seine Verwandlung mit einbezogen. (Bühne und Kostüm Maria Theresia Bartl) Nicht nur, dass bei Rudi jeder Kalendertagabriss aufs Neue einen Freitag, den 13., zeigt: Der lähmenden Routine, der Rudi täglich ausgesetzt ist, folgt eine heillose Überforderung mit nervenden Anrufen am roten Telefon und immer rascher werdenden Postsack-Zulieferungen, bis diese schließlich eines Tages von einem Schlag auf den anderen ausbleiben.

Der darauffolgenden Depression, inklusive verschiedener Suizidversuche, folgt eine Explosion von Rudis Kreativität. Diese verursacht zwar jede Menge Chaos, endet jedoch mit der Idee eines vom Himmel gefallenen Alter Egos, das sich, ganz von seinem Alltagstrott befreit, einem neuen Leben widmen kann. Der Musik gleichgestellt agiert Widerhofer in dieser Koproduktion vom „Neues Wiener Musiktheater“ und dem Theater Drachengasse wie ein Stummfilmschauspieler, nur mit dem Unterschied, dass das Publikum die Vorführung live erleben kann.

Kukelka leitet sein Ensemble live vom Klavier aus und schafft mit den weiteren Instrumenten wie einem Fagott, verschiedenen Flöten und Percussionsinstrumenten eine höchst illustrierende und atmosphärisch dichte, musikalische Begleitung. Ob sanfte Schlummermelodien, brausende Wetterstürme, ob bedrohliche Klänge während der immer schnelleren Postzulieferungen oder Bongorhythmen, die Rudi auf seinem Inseltrip begleiten – Kukelkas Kompositionen reihen sich nahtlos aneinander, um schließlich in einem Duett von Fagott und Vogelstimmengezwitscher zu enden. Dass Rudi dabei auf einer Klarinette die samtenen Fagott-Töne nachahmt, spielt dabei keine Rolle.

„Rudi langt`s“ vermittelt den Eindruck einer Produktion, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Sie verwendet keine zeitgeistigen, technischen Hilfsmittel wie Videoeinspielungen oder aufwändige Bühnenumbauten. Die pantomimische Darstellung reduziert die Erzählung auf einen einzigen Menschen und dessen Nöte und Freuden und sie beeindruckt durch die Feinabstimmung zwischen dem Schauspieler und der Musik, die sich eng an dessen Bewegungsvokabular anschmiegt. Ein Theaterabend für alle, die sich von Theater und Musik gerne verzaubern lassen.

www.european-cultural-news.com, 15. 3. 2018


Ahoi! — „Rudi langt‘s“ im Theater in der Drachengasse

Gestern Abend hat mich Neues Wiener Musiktheater daran erinnert, dass man eine tiefgründige und unterhaltsame Geschichte erzählen kann, ohne ein einziges Wort zu sprechen.

Als Dramatiker und Literaturkritiker fesselt mich natürlich auch die Sprache im Alltag sehr. Wenn ich mir eine Vorstellung am Theater ansehe, konzentriere ich mich gern auf den Text und darauf, was die Figuren sagen und wie sie es sagen. So vergesse ich manchmal, ohne es zu merken, dass das Rollenheft nur ein Teil des Endergebnisses, nicht immer das Wichtigste und sogar in einigen Fällen ganz verzichtbar ist. Mittels Mimik, Gestik, Klänge und vor allem wunderschön beunruhigender Musik erzählt „Rudi langt‘s“ die Geschichte eines Postboten, der wegen der technischen Fortschritte der Digitalisierung überflüssig geworden ist.

Der Auftritt soll auf die „dadaistischen Pantomimen eines Jacques Tati oder Buster Keaton“ verweisen. Er rief mir dennoch immer wieder verschiedene Zeichentrickfilme ins Gedächtnis zurück, die ich mir als Kind angeschaut habe. Die Kammermusik, die jede Bewegung und jedes Geräusch — von Vögeln bis zu Geräten — begleitet, scheint aus einer Folge der Looney Tunes gekommen zu sein. Mit seiner schlanken Gestalt, dem verzerrtem Lächeln und seiner karikaturistischer Mimik sieht Rudi (Rudolf Widerhofer) besonders wie Wile E. Coyote aus. Und die unverständlichen Stimmen, die aus seinem Telefonhörer zu hören sind, klingen genauso wie die Stimmen, mit denen die Erwachsenen in Die Peanuts sprechen.

Trotz all dem Spielerischen und Lustigen stellt uns dieses Musiktheater eine ernsthafte Frage: Welche Effekte übt Arbeitslosigkeit auf den Menschen aus? Und auch: Wer ist für diese Effekte verantwortlich? Die Arbeitslosen, die Technik oder die Gesellschaft als solche? Rudi hat seit langem die Post nicht zugestellt, aber er lagert sie in einem höllisch anmutenden Postlager, wo es immer Freitag 13. ist und sich die gleiche Routine wie in einem Albtraum wiederholt. Wenn ihm dieser Unsinn endlich langt, versucht er Selbstmord zu begehen, scheitert aber jedes Mal daran. So tritt Rudi eine surreale Reise an, die ihn unter anderem zum Urlaub am Strand bringt und ihn in den Kapitän eines Schiffes, während eines Gewitters auf hoher See, verwandelt. Am Ende scheint er in seiner progressiven geistigen Degeneration eine bedauernswerte Art des Friedens zu finden.

Fazit: Ein faszinierendes musikalisches Traumspiel, das die Erfahrung der Arbeitslosigkeit erkundet

Neue Wiener-Kritk, https://callisti1010.com/, 13.3.2018


Spielplan Januar 2022