Mann Ohr Mann!

  • Ein Geschlecht wird belauscht
  • Katharina Tiwald
  • leuchtkraft und Theater Drachengasse
  • Bar&Co
  • 9. – 21. November 2015
    Di-Sa um 20 Uhr



















Männer! Sie sollen anders Vater sein und anders lieben als früher, anders soft sein und anders Härte beweisen … 

Wovon träumen Sie? Wie reden Sie, wenn Sie um den heißen Brei herumreden? Wenn Sie sich schämen, welchen Namen würden Sie Ihrer Scham geben? In welchem Moment haben Sie Ihren Vater geliebt? Wofür würden Sie in die Politik gehen? Was macht einen Mann zu einem coolen Mann? Und wie fühlt es sich eigentlich an, einen Penis zu haben?

Wir haben sie gefragt, die Männer. Männer. Wie es ihnen so geht, heutzutage, als Mann. Gefragt in Interviews, im Blog (mit Facebook-Wurmfortsatz) und mitgehört in Gesprächsfetzen …

Ich sag nicht mir ist kalt – ich bin ein Mann.

Mann Ohr Mann! ist ein Stück an der Schnittstelle von Sprache und Musik: die Zwischenbilanz einer Forschungsreise ins exotische Land der männlichen Emotionen. Ein dreistimmiges Männerstück mit Instrumenten, das hinter Panzer von sogenannten
Männerbildern blicken will. Oder einfach nur ein langes Gedicht zu männlicher Gender-Selbstwahrnehmung – poetisch, musikalisch und männlich.

 

Regie: Julia Nina Kneussel
Musik: Bernhard Eder, Julia Nina Kneussel, Ensemble
Ausstattung: Gudrun Lenk-Wane
Regieassistenz: Verena Rosna
Es spielen: Alexander Fennon, Nikolaus Firmkranz, Albert Friedl

Rechte bei: Edition Ausblick Wien

Das Projekt wird gefördert durch die Kulturabteilung des Magistrats der Stadt Wien.

Beitrag BURGENLAND HEUTE, 4.11.2015

Autorin Katharina Tiwald über die Entstehung des Textes

„Das Zuhören als poetischer Akt – das ist eine der Erfahrungen, die ich im Reigen meiner Männerinterviews gemacht habe. Machen durfte. Ganz Ohr sein, sich anohren, die Ohren aufspannen wie Satellitenschüsseln ...

Manche Interviews fanden zwischen Tür und Angel statt. Manche bei Kaffee, eines in einer Kantine. Eines mit einem kleinen Hund, der auf meinen Knien herumturnte. Während eines Interviews kotzte ein besoffener Bursch vom Nachbarbalkon. Zu manchen Gesprächspartnern fuhr ich, manche kamen zu mir. Einige haben sich angetragen. Andere habe ich aufgestöbert. Manche haben gezögert. Manche sich nicht mehr gemeldet. Einer nannte mein Aufnahmegerät Lügendetektor, ein anderer Schusswaffe. Und ich habe sogar von alten Bekannten und Freunden Geschichten gehört, die sie mir davor nie erzählt hatten.

Nach all den Monaten hinter dem Aufnahmegerät, als durchs Gespräch Steuernde, und am Computer, angestrengt lauschend und mit heißen Fingern am Mitschreiben, Stimmen im Ohr, ist jetzt dieser Text-Zopf fertig: nicht nach Bürstenschnitt-Fasson, mit Spannungsbogen, Höhepunkt, Auflösung, sondern all die Geschichtensträhnen miteinander verwoben und ineinander gearbeitet. So begegnen einander alte und junge Geschichten, zärtliche und schockierende, die Welt umarmende und stocktrocken banale. Und heraus kommt etwas, das eigentlich ungemein zärtlich ist, trotz des Gespensts vom Mann als Bastion der Macht in dieser Welt
Ich wollte keine Verhöre führen, sondern Anhörungen: ich wollte keine Patriarchen überführen, sondern meinen Interviewpartnern von vornherein, wenn man so will, auf Ohrenhöhe begegnen (ganz abgesehen davon, dass das Bild des Patriarchen inzwischen gehörig wackelt).
Man(n) erzählte mir Geschichten und spekulierte mit mir über männliche Identität – was besonders spannend und berührend war, wenn es um ein Leben in der Transformation zum Mann oder zwischen den Geschlechtern überhaupt ging.

Ich könnte noch etliche Roadmovies drehen, verfremden, verdichten, Romanreihen schreiben: bleiben wir zunächst bei dieser großen Collage. Ich, voller Erzählungen, bin stolz, so viel Vertrauen geschenkt bekommen zu haben. Ich bin berührt – und vielleicht sogar ein stückweit verändert. Aber hören Sie selbst …!

Mein besonderer Dank gilt Nikolas Burtscher (Verein Transmann Austria) und Alex Jürgen (Verein Intersexuelle Menschen Österreich).“


Ein Ohr für Männer

Den Text in dieser Kritik zu zerpflücken, wäre strafbar. Würde bedeuten, dem Abend seine Spannung, seine Attraktivität, seinen Zauber und seine Poesie zu nehmen.

Wissen, was Männer fühlen, denken, tun? Katharina Tiwalds „Mann Ohr Mann! Ein Geschlecht wird belauscht“, gibt im Theater Drachengasse Auskunft.

Sich auf die Suche nach Männergeschichten machen. „Mann“ erforschen wollen. Befindlichkeiten oder Geschichten aus Männern herauskitzeln und das alles für ein Theaterstück? Was kann dabei schon herauskommen?

Das Ergebnis ist: „Mann Ohr Mann! Ein Geschlecht wird belauscht.“, – eine Collage, eine Drei-Männer-Performance, geimpft mit viel Testosteron aber auch einer großen Portion Poesie. Wenn man sich darauf einlässt.

Katharina Tiwald hat sich dafür in der Recherche mit vielen Männern unterhalten, in einem Blog zur Kommunikation aufgerufen, Gesprächsfetzen aufgeschnappt. Alles in allem dürfte dies zeitweise ganz schön anstrengend gewesen sein. Das hört man zumindest zwischen den Zeilen heraus. Der Ausgangspunkt für Tiwald, ist ein gänzlich anderer als einer, den frau für eine soziologische Untersuchung heranziehen würde. Braucht das Theater lebendige Bilder, sammeln Soziologinnen und Soziologen zuallererst Fakten. Lebendige Bilder bedeuten aber zugleich gut zuhören können und Empathie zeigen, sonst kommt nix. Und das kostet Kraft.

Das „Ohr“ an vielen Männern zu haben bedeutet auch, viele Informationen abzuspeichern, die dann in ein bestimmtes Gefäß gegossen werden müssen, um das Publikum zu unterhalten. Die Autorin fand dafür gemeinsam mit Julia Nina Kneussel, die für die Regie verantwortlich ist und Bernhard Eder, der die Musik beisteuerte, eine sehr spezielle und höchst kunstvolle Form. Ihre drei Protagonisten – Alexander Fennon, Nikolaus Firmkranz und Albert Friedl – schlüpfen dabei in viele unterschiedliche Rollen, aber jeweils nur für wenige Augenblicke. Keine Geschichte wird von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende komplett durchgehend auserzählt. Vielmehr bestimmen Fragmente und Überlagerungen der Texte das Geschehen. Dadurch entsteht ein rhythmisiertes Ganzes, das nahe an einer musikalischen Komposition liegt. E-Gitarre, Schlagzeug, Klavier und Akkorden, diese Instrumente ergänzen und verstärken diesen Eindruck noch.

Neben der Präsentation von all dem Gesammelten und Erlauschten nimmt Tiwald aber gleich auch jene Kritik vorweg, die automatisch aufkommt, wenn frau ein Männerthema in den Vordergrund stellt. Und sie gibt mit kurzen Einspielungen auch Einblick in Interviewsituationen.

So unterschiedlich die Geschichten der Männer auch waren, mit einer Thematik „könnte man den gesamten Donauwalzer füllen“, erfährt man an einer Stelle. Gemeint ist damit die Scheidung, das Davor und das Danach. Das von Männern empfundene Unrecht, pro Kind 20% an Unterhalt zahlen zu müssen. Trennung, so stellt sich im Laufe der Show heraus, ist überhaupt ein wichtiges Kapitel. Nicht nur die Trennung von der Frau. Getrennt wird man als Kind auch von der Mutter oder dem Vater und leidet vielleicht ein Leben lang darunter.

In einer rasanten Abfolge werden Themen wie Krieg, Vaterschaft, Beruf und Sexualität angerissen. Dabei erfüllen die drei Männer auf der Bühne alle Erwartungshaltungen, die man einer Gruppe Männern gegenüber haben kann. Sie spielen sich als Alphatiere auf, brüllen sich gegenseitig nieder, aber klopfen sich auch kumpelhaft auf die Schulter. Sie unterbrechen sich rüde, lassen aber die anderen auch einmal ausreden und zu Wort kommen. Den Text in dieser Kritik zu zerpflücken, wäre strafbar. Würde bedeuten, dem Abend seine Spannung, seine Attraktivität, seinen Zauber und seine Poesie zu nehmen.

Den einzigen Ratschlag, den man für künftiges Publikum geben kann ist: Zurücklehnen, Augen und Ohren aufmachen, nicht krampfhaft den Denkapparat bemühen wollen, sondern den Strom an Worten, Melodien, an Ideen und Gedanken einfach fließen lassen.

european cultural news, 12.11.2015


Theater Drachengasse: Mann Ohr Mann! Ein Geschlecht wird belauscht

Das Bild am Plakat verspricht Lustiges und Musikalisches: Drei Männer, nur spärlich bekleidet mit Instrumenten, die doch wieder den Großteil der Körper verdecken. Das Theater in der Drachengasse und leuchtkraft luden zur Uraufführung von Katharina Tiwalds neuem Stück Mann Ohr Mann! Ein Geschlecht wird belauscht. Auch DieKleinkunst-Redakteurin Magdalena Stockhammer folgte dem Ruf, ob sie durch das Belauschen der Männer, das andere Geschlecht nun besser versteht, lesen Sie hier.

Die drei Männer (Alexander Fennon, Nikolaus Firmkranz und Albert Friedl) betreten die Bühne. Sie reden durcheinander, nutzen Mikrophone und Stimmenverzerrer. Sie erzählen Geschichten; Geschichten aus der Perspektive von verschiedensten Männern. Teilweise erzählen sie gemeinsam eine Geschichte, dann beinahe gleichzeitig jeder eine eigene, sie unterbrechen und überschneiden sich. Ab und an bekommt einer die gesamte Aufmerksamkeit, ein Solo: Der Vater, der zornig ist, weil er bei der Scheidung und beim Sorgerechtsstreit um seine Kinder benachteiligt wird. Der israelische Soldat, der aus Patriotismus ins Ausland geht. Der Banker, der von Geschäftsreisen mit Drogen und Callgirls erzählt.

Bei dem Text des Stückes handelt es sich um Originalsätze aus Interviews, die Autorin Katharina Tiwald mit den Männern geführt hat. Die Schauspieler geben diese Geschichten wieder, aber sie stellen einander auch Fragen, die die Autorin damals bei den Unterhaltungen gestellt hat. Auch originale O-Töne werden vom Diktiergerät abgespielt. „Haben Männer beste Freunde? Was ist wichtig bei einer Männerfreundschaft? - Vertrauen…sich lieb haben…war ein Scherz. – Haben Männer sich nicht lieb? – Nein.“ Später provozieren der Satz „Ich sag nicht mir ist kalt, ich bin ein Mann“ und das Bild der sich umarmenden Männer Lacher im Publikum – an dieser Stelle enthalte ich mich eines moralisch-soziologischen Kommentars über die Reaktionen des Publikums und die Ansichten unserer Gesellschaft.

Im Folgestück zu „Die Kümmerinnen in: LEUCHTKRAFTFORMEL“ widmen sich Katharina Tiwald und Regisseurin Julia Nina Kneussel nicht mehr der Frauensprache, sondern dem sogenannten „starken Geschlecht“.  Versprochen wird ein „dreistimmiges Männerstück mit Instrumenten, das hinter den Panzer von sogenannten Männerbildern blicken will“. Dies mag für einen Neuling in der Gender- und Männerbilderdebatte auch vollkommen erfüllt werden. Wenn man sich allerdings schon ein- oder zweimal mit der Thematik beschäftigt hat, empfindet man den gebotenen Inhalt großteils als oberflächliche und stereotype Wiedergabe von Beispielen der Männerforschung. Wenn man miteinbezieht, dass es sich um Originalzitate aus Interviews, somit um die Realität handelt, kann dies allerdings gerechtfertigt werden.

Zwischendurch greifen die Schauspieler immer wieder zu Musikinstrumenten. Warum, ist nicht eindeutig klar. Um sich wie Rockstars zu fühlen? Um doch auf eine Art Emotionen zu zeigen? Hier muss die schauspielerische und sprachliche Leistung der drei Darsteller hervorgehoben werden: Die ständigen Unterbrechungen, die nahtlosen Übergänge und die repetitiven Wortfolgen sind präzise einstudiert worden. Im Gegensatz dazu, scheint es, als seien die Schauspieler an manchen Instrumenten nicht so firm. Die scheinbar mangelnde Übung machen sie aber mit der Performance in Rockstarmanier wieder wett.

Zwar wirkt das Stück durch den Interviewcharakter und die teilweise präsente Wissenschaftlichkeit wie eine soziologische Forschungsarbeit, jedoch habe ich noch nie einer amüsanteren Soziologiestudie beigewohnt. Eine inhaltliche Vertiefung wäre wünschenswert gewesen, ist bei einer Stücklänge von nur 60 Minuten schwer realisierbar. Trotzdem gehen die Zuschauer mit der Erkenntnis nach Hause, dass es nicht „die Männer“, sondern viele verschiedene Arten von Männlichkeit gibt. Ein Satz, der ebenfalls in Erinnerung bleibt und die Message des Abends gut zusammenfasst, lautet: „Aber wenn es mich erwischt, hat es mich erwischt, ja. Dann ist das wurscht, ob das ein Mann, eine Frau ist, Trans, Zwitter, und ich glaub ich war schon in ziemlich alles verknallt, was es so gibt auf der Welt. Das wär schön, wenn das mehr Leute hätten, dass sie sich denken, Liebe ist Liebe, Körper ist Körper.“

diekleinkunst.com, 11.11.2015


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