Wasserstoffbrennen

  • Leon Engler
  • Bar&Co
  • Bar&Co, 1. – 13. Dezember 2014, Di-Sa um 20 Uhr

Eine Koproduktion von Neues Theater Wien und Theater Drachengasse

Wasserstoffbrennen benennt die Kernreaktion im Innern der Sterne. Der Druck im Sonnenkern ist so hoch, dass die Wasserstoffprotonen ihre elektrostatische Abstoßung überwinden können. Sie kommen sich so nah, dass sie zu einem Kern fusionieren.

 

Wasserstoffbrennen erzählt von Ereignissen, die eine Geschichte ergeben. Die Geschichte von einer Frau und einem Mann. Die Frau sucht nach dem Mann, der ihre ideale Ergänzung ist. Der Mann überlässt alles dem Zufall. Das ist alles. Das ist die Geschichte einer Liebe.

Ich konnte jemanden lieben. Ich hatte etwas zu tun.


Nach dem großen Erfolg von X Jahre Kriegsfreiheit ist Wasserstoffbrennen die neue Arbeit der Jurypreisträger des Nachwuchs-Theater-Wettbewerbs 2013.




Regie: Michael Schlecht
Regieassistenz: Moritz Maliers
Bühnenbildmitarbeit: Henrike Heiland
Es spielen: Magdalena Steinlein, Roman Blumenschein



Trailer zu Wasserstoffbrennen
https://www.youtube.com/watch?v=apdTVQVFUMk

und
https://www.youtube.com/watch?v=mWoNTkgudlQ

Das Überwinden einer Abstoßung

"Wasserstoffbrennen" im Theater Drachengasse erzählt eine Liebe in 16 Geschichten

Wien - Niko würfelt um sein Leben. Im wahrsten Sinn des Wortes. Seit er damals aufs Klo musste und nun diesen Würfel bei sich trägt, delegiert er seine Entscheidungen an den Zufall bzw. die Normalverteilung: gerade - ja, ungerade - nein. Würfelt Niko, so würfelt er der Wahrscheinlichkeit zuwider stets "Ja". So hat er Mascha kennengelernt. Und lieben. Der Würfel ist gefallen und Niko folgt, denn er will sein Leben nicht mehr selbst entscheiden müssen. Derweil glaubt Mascha an den antiken Mythos vom Kugelmenschen und an Bestimmung.

In 16 Schlaglichtern berichtet der 1989 geborene Autor Leon Engler unter sparsamem wie auch klugem Einsatz der dramatischen Mittel die Geschichte eines 50 Jahre andauernden gemeinsamen Lebens, das sich in zunehmend aufbrechenden Zweifeln entzweit.

Der aus der Physik stammende Titel Wasserstoffbrennen stehe metaphorisch "für das Verschmelzen zweier Menschen und für die Wärme, die dabei entsteht", meint Engler. Was wie eine Variation von Goethes Wahlverwandtschaften anmutet, ist aber rätselhafter. Denn der Grund des Verschmelzens bleibt offen: Wahrscheinlichkeitsverteilung und Naturgesetze verweisen auf eine Ordnung hinter dem scheinbar Kontingenten, doch zugleich stellen Nikos stetige Ja-Würfe diese infrage, indem sie die Statistiken aushebeln. Bestimmung oder Zufall? Oder doch ein gezinkter Würfel?

Im kleinen Aufführungsraum mit Bar und Bühne inszeniert Michael Schlecht beinah ohne Requisiten. Die brauchen die überzeugenden Magdalena Steinlein und Roman Blumenschein auch nicht. Dass sie neben den Figuren stets auch als Erzähler des Geschehens erhalten bleiben, birgt eine auflockernde analytische Distanz.

"Ich konnte jemanden lieben. Ich hatte etwas zu tun." - Am Ende steht die Frage, ob es nicht ein Wagnis ist, so auf einen anderen zu setzen. Eine Gefahr für einen selbst. Und dennoch ein Glück.

Der Standard 4.12.2014


Würfeln oder Kugelhälften suchen? "Wasserstoffbrennen" im Theater Drachengasse: Zufall oder Vorherbestimmung, wahre Liebe oder Fassade.

Die Bühne ein ist zunächst sozusagen eine „Black-Box“. Schwarze Wände, schwarzer Boden, sonst (fast) nichts. Bevor das Stück „Wasserstoffbrennen“ richtig startet, greifen die beiden Darsteller_innen sich eine Dose Luftschlangenspray nach der anderen. Mit zehn von ihnen pro Vorstellung geben sie Wänden und dem Boden ein jedes Mal anderes, zufälliges Dekor aus bunten gezackten Fäden, die in der einen oder anderen Szene für so manches stehen könnten – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Wahre Liebe?

Zufall trifft Vorherbestimmung. Irgendwie. Niko auf Mascha. In 16 Episoden eilen sie vom Urknall samt Philosophieren darüber wie unwahrscheinlich eigentlich das Entstehen des Weltalls im Allgemeinen und der Erde im Besonderen war über (scheinbar?) zufällig ausgewählte Stationen des Lebens der beiden bis zu deren Ende. Beide scheinen von der wahren Liebe überzeugt zu sein. Jahrzehntelang sind sie einander zugetan. Oder scheint da manches nur Schein zu sein?

Kugelmenschen

Als Metapher für ihre Liebe wird der von Platon in einem literarischen Text erzählte Mythos von den seinerzeitigen vierarmigen und -beinigen, zweiköpfigen Kugelmenschen erzählt, die auf den Olymp wollten und vom Göttervater Zeus in die späteren und noch immer heutigen Einzelmenschen zerteilt wurden. Mascha ist davon überzeugt, dass deswegen jede Hälfte den zur Kugel ergänzenden (Teil-)Menschen sucht. Niko hängt mehr der Theorie des Zufalls an. Vor wichtigen Entscheidungen zieht er einen Würfel aus der Tasche und legt sein Schicksal in dessen Augenzahlen: Gerade oder ungerade.

Kernreaktionen

Die Episoden sind nicht chronologisch geordnet, ergeben erst nach und nach ein Gesamtbild. Immer wieder eingestreut finden sich Zitate oder Fakten rund um naturwissenschaftliche Erkenntnisse – bis hin zur heißen Kernreaktion im Inneren der Sonne, wo der Druck so stark ist, dass Wasserstoffprotonen ihre elektrostatische Abstoßung überwinden und zu Kernen fusionieren – sogenanntes Wasserstoff„brennen“.

Ein äußerst amüsanter zwischen Physik und Liebe, zwischen Zufall und Determinismus pendelnder Theaterabend.

www.kurier.at, 3.12.2014


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