Your Customized Lovestory

So wenig man sich unter dem Titel „Your Customized Lovestory“ und der Beschreibung vorstellen kann, so vielfältig ist das Programm von Anna-Sophie Fritz und Lina Hoppe. DieKleinkunst-Redakteurin Marion Kern hat im Theater Drachengasse einen einzigartigen, unterhaltsamen Abend verbracht.

Eigentlich sind Anna-Sophie Fritz und Lina Hoppe ausgebildete Schauspielerinnen mit für ihr Alter (25 und 27) beeindruckenden Lebensläufen und Engagements. Das Fach Comedy ist für sie beide neu. Kennengelernt haben sie sich über Freunde in der Ausbildung, und mit „Your Customizes Lovestory“ zeigen sie ihr erstes gemeinsames Programm, wofür auch der Verein „Einhorn Produktionen“ gegründet wurde. Dieses war ursprünglich nur 20 Minuten lang und wurde binnen einem Monat auf ein abendfüllendes Programm ausgedehnt. Sehr zur Freude des begeisterten Publikums im Theater Drachengasse.

Schon beim Eingang bekommt man einen Fragebogen in die Hand gedrückt, in dem es um Kaffeevorlieben, der Präferenz von Meer oder Himmel den Umgang mit schlechter Stimmung geht. Kurz, man hat auch hier keine Chance, im Vorfeld zu erahnen, worum es gehen wird. Umso gespannter erwartet man den Beginn.

Was die beiden auf die Bühne bringen, ist ein Mix aus Klassikern, Comedy, Musik, Improvisation und Stand-Up. Es beginnt mit bekannten klassischen Liebes-Szenen aus der Literatur, die tragisch enden. Darunter sind „Romeo & Julia“, „Orpheus und Eurydike“ und „Käthchen von Heilbronn“ sowie auch „Brokeback Mountain“ als Vertreter der Gegenwart. Anhand dieser Szenen zeigen Anna-Sophie und Lina, was gewesen wäre, wenn die Protagonist/innen anders – ihn ihren Augen richtig – gehandelt und damit das tragische Ende vermieden hätten.

Die dafür eingesetzten schauspielerischen Techniken suchen ihresgleichen. Sequenzen werden „zurückgespult“ – die entsprechenden Bühnenaktionen samt Geräuschkulisse sind eine harte Attacke auf die Lachmuskeln, ebenso wie die Slow-Motion-Variante. Es wäre wirklich schade, wenn die Vorstellung wie in der ursprünglichen Fassung dann schon zu Ende wäre, da die beiden noch Einiges auf Lager haben.

Zum Beispiel die Interaktion mit dem Publikum im Sinn einer Stand-up-Comedy. Einzelne ZuseherInnen werden gebeten, bestimmte Stichworte zum Thema Beziehung zu liefern, wozu Anna-Sophie und Lina dann kurze Szenen spielen. Ein gewagtes Unterfangen, da diese Bemerkungen unberechenbar sind und oft sehr überraschend ausfallen. Aber auch diese Aufgabe wird von den Akteurinnen gemeistert.

Im Lauf des Abends (das Programm hat keine Pause) kommt es auch zur Auflösung der Fragebögen: Es handelt sich um das Spiel „Customized“, bei dem es zu einer Interaktion mit dem Publikum kommt. Die beiden versuchen, anhand der Fragebögen, eine jeweils individuell für die ZuseherIn passende Situation zu beschreiben.

Eine weitere Überraschung ist die darstellerische „Karikatur“ von Pop-Sängerinnen (à la Rihanna und Beyoncé) und deren Allüren. Besonders zur Freude der männlichen Zuseherschaft stehen die beiden plötzlich in schwarzen Bodys und High-Heels auf der Bühne und geben sich – fast – wie die berühmten Stars der Musikbranche. Bei dieser Nummer kommt das Bewegungstalent der Akteurinnen sehr gut zur Geltung.

Unbeschreiblich ist auch eineTauchszene, in der Anna-Sophie Ihre Sauerstoff-Flasche verliert und Lina ihr immer wieder ihren Sauerstoff gibt. Die Bewegungen und Geräusche sind ausgezeichnet nachempfunden und man fühlt sich wie unter Wasser. Dass die Szene trotz allem sehr unterhaltsam ist, versteht sich von selbst.

So ein Programm zu spielen, erfordert eine ziemliche Portion Mut, insbesondere – wie bei der Premiere – vor Familie und Freund/innen. Man weiß nie, wie das Publikum auf schauspielerische Experimente reagiert und muss sich dem Selbstversuch stellen. Und der ist in diesem Fall absolut geglückt!

Fazit: Zwei sehr talentierte Schauspielerinnen bieten einen bunten, interaktiven Abend unter erstaunlichem (Körper-)Einsatz und voller Überraschungen. Veranstaltern und BühnenbetreiberInnen wird empfohlen, sich „Your Customized Lovestory“ anzuschauen und dem kongenialen Duo eine Chance zu geben, ihr Potenzial auch an anderen Locations präsentieren zu können. Aber möglichst bald, denn das Stück läuft aktuell nur noch bis Mittwoch, 05.11. im Theater Drachengasse.

Die kleinkunst.com, 30.10.2014