Schmoizhodan-Passion

  • Bar&Co
  • 12., 13., 14., 16., 17. April 2014 um 20 Uhr
    ZUSATZVORSTELLUNG am 18. April 2014 um 20 Uhr


Die Markus-Passion in Wolfgang Teuschls Heiliger Schrift – nach herausragenden Ikonen des Austropop musikalisch in Szene gesetzt von Otto Lechner, Pavel Shalman, dem Wiener Kammerlchor und Alfred Schedl als Evangelist









 


Jezd woa owa in zwa Dog Oosdan: Musikverein hin oder her – dass der Sachse Johann Sebastian Bach vom passionierten Wiener-Leid keinen Tau haben konnte, liegt auf der Hand. Höchste Zeit, dem vielgeprüften Hauptstädter nun endlich zu geben, was ihm schon lange zusteht: Ein eigenes musikalisches Martyrium Christi, melancholisch umspielt von Otto Lechner, Pavel Shalman und den Klängen der einschlägigen Popkultur, sorgsam eingewoben in Wolfgang Teuschls legendäre Bibelübersetzung Da Jesus und seine Hawara. Mit Alfred Schedl als Evangelist und Kammerlchor, ganz im Stile der großen Passionsvertonungen – und dennoch auch für Zimmer, Küche, Kabinett ...

Konzept, Dramaturgie: Florin Mittermayr 
Regie: Florin Mittermayr, Bahar Naghibi
Produktion: Bahar Naghibi  Judas
Harmonium: Otto Lechner 
Violine: Pavel Shalman
Evangelist: Alfred Schedl 
Jesus: Christian Steiner 
Nebenrollen, Gesang, Instrumente: Wiener Kammerlchor 
Rechte: Thomas Sessler Verlag Wien


Wenn der Jesus G’stanzln singt
 
Kulturtipp. Jesus und Musical muss nicht zwangsläufig Andrew Lloyd Webbers Jesus Christ Superstar bedeuten. Musikvirtuose Otto Lechner hat vergangenes Wochenende im Theater in der Drachengasse in der Schmoizhodan-Passion bewiesen, dass auch die alt bekannte Bibelgeschichte erfrischend neu dargebracht werden kann. Dazu nehme man einfach die Textgrundlage von Wolfgang Teuschl, der mit Da Jesus und seine Hawara das neue Testament kongenial auf Wienerisch nacherzählt und strickt einen passenden musikalischen Teppich aus österreichischen Volks- und Popliedern herum. So wird sogar die Tristesse des letzten Abendmahls amüsant beim Schunkeln des Wienerliedes Es wird der Wein sein – und wir werdn nimma sein abgehandelt. Regie und Konzept stammt übrigens von Florin Mittermayr, dessen Darbietung alleine zum Vergnügen gereicht. Eine pompöse Ausstattung ist nicht notwendig, für das Felsengrab reichen ein paar alte Bierkisten. Kein Wunder also, dass die insgesamt nur vier Vorstellungen restlos ausverkauft waren. (...) Also, bestürmet die Drachengasse!

Tina Goebel, Profil 2. April 2012
 

Das großartigste Cover der Woche lieferte eindeutig Otto Lechner. Der blinde Musiker sang die Austropopversion des Bob Dylan-Klassikers It Ain´t Me Babe. Auf Österreichisch heißt das dann: Oba i bin´s net. Gesungen hat er das Theaterstück Schmoizhodan-Passion in der Drachengasse, wo die Kreuzigung Jesu in herrlicher Wiener Rührseligkeit und Selbstmitleid neu vertont wurde, basierend auf Wolfgang Teuschls Mundartbibel Da Jesus und seine Hawara. Lechner spielte den Judas, die Jünger sangen zum letzten Abendmahl Es wird a Wein sein, und Maria Magdalena sagte zu Jesus, was auch schon Sefanie Werger meinte: I wü di g´spian. Jesus selbst trällerte noch im Grabtuch eingewickelt: Du liagst da und kannst di net rian und die Würma kroichn in dei Hian. Dass die Sache bekanntlich gut ausgeht, ist in der Heiligen Schrift nachzulesen oder beim Jesus und seine Hawara.

Falter 14/2012


Martyrium Christi fürs musikalische Kabinett
Die «Schmoizhodan-Passion»: eine Melange aus Austropop und dem wienerischen Jesus

Dieser Tage feiert im Theater Drachengasse die Schmoizhodan-Passion ihre Uraufführung: In ihren Grundzügen dem Passionsspiel und der klassischen musikalischen Gattung verpflichtet, setzt die Produktion dennoch einige neue Maßstäbe: An Stelle der Luther-Bibel tritt Wolfgang Teuschls Bibelübersetzung Da Jesus und seine Hawara, Schmalz und Schmelz stammt von verschiedensten Ikonen der heimischen Pop- und Gegenkultur. Immer noch großes Oratorium nur eben ganz klein, ganz weanerisch und keineswegs ohne Augenzwinkern.
 
Der Augustin sprach mit zwei Passionisten der ersten Stunde: Mit dem Schauspieler und Jazz-Musiker Christian Steiner, der auf der Bühne als Jesus zu sehen sein wird, und mit Florin Mittermayr, dem Dramaturgen und Regisseur der Schmoizhodan-Passion.
 
Was ist der Schmoizhodan? Wird er von euch in Anlehnung an Herwig Seeböcks «Häfenelegie» verwendet?
Christian Steiner: Nein, der Schmoizhodan ist wienerisch und steht für Schmachtfetzen, also für ein sentimentales Liebeslied.
Florin Mittermayr: Wer beim Hodan an Textilien denken muss, hat dabei aber vielleicht auch nicht ganz unrecht: Wer kann schon wissen, welche Übersetzung Wolfgang Teuschl für das Schweißtuch der Veronika gefunden hätte, wenn es in der Bibel vorkäme?
 
Ich nehme an, ihr seid Wiener.
FM: Ich bin in Wien zur Welt gekommen und mehr als die Hälfte meines Lebens hier.
CS: Ich bin halb Türke, halb Österreicher, also ein echter Weana!
 
Wie ist die Schmoizhodan-Passion entstanden?
FM: Christian und ich wollten schon seit Langem etwas miteinander machen. Christian hat einen Faible für wienerischen Dialekt und ist mit Wolfgang Teuschls Text «Da Jesus und seine Hawara» dahergekommen. Der ist dann am Tisch gelegen und irgendwie nie wieder verschwunden. Es hat die verschiedensten Ideen gegeben, doch irgendwann war der Punkt erreicht, wo wir uns gewundert haben, dass der Text von Teuschl noch nie als Passionsspiel auf die Bühne gebracht wurde. Also dachten wir uns: Machen wir doch mit dem Text ein wienerisches musikalisches Martyrium Christi dass die Musik dafür irgendwo in den Hinterzimmern dieser Stadt schon vorhanden sein muss, haben wir vermutet. Von der Stimmigkeit des Ergebnisses waren wir aber bisweilen selbst überrascht.
 
Welche Rolle spielten dabei bereits vorhandene Passions-Vertonungen, etwa die Passionen von Johann Sebastian Bach?
FM: Ich habe mich bei der Dramaturgie bemüht, die Bach'sche Passionseinteilung zu übernehmen, allerdings endet die Schmoizhodan-Passion erst nach der Auferstehung. Grosso modo lässt sich jedoch behaupten: Wo bei Bach eine Arie oder ein Chor in der Partitur stehen, findet sich bei uns ebendieses. Nur dass bei uns halt nicht Picander und Bach deren Autoren sind, sondern die Liedtexte und die Musik beispielsweise aus den Federn eines Wolfgang Ambros, Georg Kreisler, Ronnie Urini, H. C. Artmann, Georg Danzer, Helmut Qualtinger oder Otto Lechner geflossen sind.
CS: Und auch das eine oder andere klassische Wienerlied ist bei uns zu finden eben alles, was zum Wiener Sentiment dazugehört.
 
Wie kommt man in Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen von der katholischen Kirche abwenden, auf die Idee, eine neue Passion zu entwickeln?
 FM: Sie wurde auch nicht für die Kirche geschrieben. Und ich sehe die liturgische Passionsdarstellung nicht zuletzt auch als Theater: Gerade am Land und in der Vorstadt wurde die nicht selten mit großer Gemeindebeteiligung realisierte Passion zum wichtigsten Berührungspunkt mit dem Schauspiel und allem, was dazugehört. Eine schmucke Kirche gibt es praktisch überall, und wenn dann der Nachbar den Petrus spielt, gewinnt der Lokalkolorit praktisch über Nacht massiv an Heiligkeit. Was ich natürlich sehr befürworte!
CS: Darüber hinaus ist die Leidensgeschichte Jesu Christi schon von Natur aus das Schauspiel der Kirche schlechthin und vermutlich auch das meistaufgeführte auf diesem Planeten. Und wenn man so gern leidet wie der Wiener, hat man mit einer Leidensgeschichte irgendwo auch immer eine Freude.
FM: So gesehen wird unsere Auseinandersetzung mit der Markus-Passion auch durchaus mit Augenzwinkern und bisweilen auch mit einem achtsam gerüttelt Maß Zynismus über die Bühne gehen.
CS: Aber niemals respektlos.
 
Somit gibt es auch keine blasphemische Passagen?
CS: Manche finden bestimmt welche.
FM: Das liegt im Auge des Betrachters. Als Teuschl seine Übersetzung der Bibel veröffentlicht hat, gab es einen kleinen Skandal: Da kommt einer und übersetzt die Bibel ins tiefe Wienerische. Das geht natürlich nicht, den Herrgott wienerisch reden zu lassen. Das hat für Schlagzeilen gesorgt.
 
Wäre eine Kirche als Gebäude ein interessanter Aufführungsort? Es gibt sehr progressive Komponisten und Komponistinnen, die ihre Werke am liebsten in Kirchen aufgeführt wissen möchten.
FM: Viele aus unserem Ensemble musizieren auch in Kirchen. Aber mir gefällt die Idee das traditionelle Passionsspiel in einen neuen Kontext zu setzen.
CS: Nicht zuletzt auch deshalb, weil man sich im Theater dann vielleicht doch noch ein paar Freiheiten mehr erlauben kann. Und als Kammer-Ensemble mit Kammerl-Chor sind wir auf der kleinen Bühne der Drachengasse sehr gut aufgehoben.
 
Wie ist Otto Lechner involviert?
FM: Er singt mehrere Arien, spielt das Harmonium, manchmal das Akkordeon, und nicht zuletzt gibt er den Judas Ischariot. Zu mir hat er gesagt: Du brauchst eh einen sympathischen Judas! Dem konnte ich nur beipflichten. Dass Otto Lechner einer der großartigsten Musiker ist, den dieses Land zu bieten hat, hat sich mittlerweile ja längst herumgesprochen.
CS: Weniger bekannt ist vielleicht seine Vielseitigkeit: Er war z. B. Josef Haders erster Pianist, hat auch schon verschiedenste Bühnenmusik geschrieben, bei uns sieht man ihn auch einmal am Harmonium sitzen.
FM: Und natürlich sind wir ihm auch zu Dank verpflichtet: Dass man als klitze-kleine freie Theaterproduktion mit Kapazundern vom Formate eines Otto Lechner, Alfred Schedl oder Pavel Shalman zusammenarbeiten darf, kann ja logischerweise nicht wirklich etwas mit der Gage zu tun haben.

 Reinhold Schachner, Augustin 3/2012

Spielplan Januar 2022